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Sanfte Überredung

Die Professorin für Praktische Theologie Isolde Karle erhält ein eigenes Institut. Warum? Weil die Uni sie mit allen Mitteln halten will

BOCHUM – „Ruhr-Universität Bochum lädt zur Gründungsfeier des neuen Instituts für Religion und Gesellschaft“ – manchmal verbirgt sich hinter einer dürren Meldung eine echte Geschichte. In diesem Fall geht die Geschichte so: Eine Theologin aus dem Schwabenland kommt an die Ruhr-Uni Bochum. Sie erhält dort den Lehrstuhl für Praktische Theologie. Das war 2001; der Name der Theologin: Isolde Karle.
Die Professorin macht sich in Fachkreisen rasch einen Namen, legt sich mit Kirchenoberen an („Kirche im Reformstress“). Die Ruhr-Uni ist stolz auf ihre Professorin – aber auch andere im Land werden auf sie aufmerksam. Die ehrwürdige Humboldt-Universität zu Berlin schließlich will die rührige Theologin abwerben. Berlin anstelle von Bochum, statt Ruhrpott plötzlich Bundeshauptstadt – da kann man ins Grübeln geraten. Das war 2014.
Und plötzlich schrillen in Bochum die Alarmglocken. „Wir konnten Isolde Karle nicht einfach gehen lassen“, erklärt der Rektor der Ruhr-Uni, Axel Schölmerich. Also musste er ihr etwas bieten. Etwas, das so reizvoll wäre, dass es Berlin als Ort von Forschung und Lehre schlagen konnte. Die Lösung: Professorin Karle bekommt in Bochum ihr eigenes Institut.
„Ich freue mich darauf, mit vier hoch engagierten Mitarbeitenden und neuen Ressourcen die Forschungsarbeit aufzunehmen“, zeigte sich Isolde Karle jetzt bei der Gründungsfeier in Bochum glücklich und zufrieden. Ihr neues „Institut für Religion und Gesellschaft“ wolle „im Austausch mit der Soziologie, der Sozialpsychologie und der Genderforschung die Struktur der modernen Gesellschaft präzise in den Blick“ nehmen, die „Dynamik von Organisationssystemen (zum Beispiel Kirchen) und die Lebensformen von Individuen (Gender, Sexualität, Liebe, Ehe, Familie). Dazu wolle sie Symposien und Workshops mit Forscherinnen und Forschern aus dem In- und Ausland veranstalten, vor allem aus den USA: Dort, so Karle, sei die Forschung zum Verhältnis von Religion und Gesellschaft bereits sehr viel weiter fortgeschritten.
Und ja. Die Gründungsfeier vergangene Woche war auch nicht schlecht. Saal voller Festgäste. Musik vom Streichquartett der Ruhr-Uni. Grußworte von Rektor und Dekanin. Kluger und unterhaltsamer Festvortrag (Armin Nassehi aus München: „Die Religiosität der Gesellschaft und die Gesellschaftlichkeit der Religion“). Canapés. Schöne Sache. Aber da hatte das Leben die eigentliche Geschichte bereits geschrieben. gmh