Der rheinische Präses Thorsten Latzel ruft dazu auf, Opfer von Antisemitismus zu sehen und ihnen beizustehen. „Lasst uns jüdisches Leben schützen, wo immer es bedroht wird“, sagte der leitende Theologe der Evangelischen Kirche im Rheinland am Mittwoch in einer Videobotschaft zum 85. Jahrestag der Reichspogromnacht am 9. November. Dass in Deutschland jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger wieder Angst hätten, wenn ihre Kinder zur Kita gingen, sie eine Kippa oder einen Davidstern trügen und dass antiisraelische Kundgebungen stattfinden sowie Israel-Fahnen brennen, sei „eine Schande“.
„Antisemitismus hat bei uns nichts zu suchen: nicht auf unseren Straßen oder Schulhöfen, nicht in Kirchen oder Moscheen, nicht an Stammtischen, nicht in Chaträumen oder bei Demonstrationen, nicht in unserem Land. Nirgendwo“, unterstrich Latzel. „Antisemitismus fällt auch nicht unter das Recht auf freie Meinungsäußerung und lässt sich mit nichts rechtfertigen.“ Er sei Ausdruck von Hass und Menschenverachtung.
Auch 2023 seien Jüdinnen und Juden nicht vor „kaltblütiger, grausamer Gewalt“ geschützt. „Auch jetzt gibt es eine erschreckende Gleichgültigkeit gegenüber den immer noch in der Gewalt der Hamas befindlichen mehr als 200 Geiseln“, sagte der leitende Geistliche der zweitgrößten evangelischen Landeskirche in Deutschland. Auch in Deutschland gebe es wieder Angriffe auf Jüdinnen und Juden. „Wir dürfen nicht schweigen“, betonte Latzel. „Wir müssen handeln, wenn unsere jüdischen Geschwister bedroht werden.“
„Als Evangelische Kirche im Rheinland widersprechen wir Judenhass in jeder Gestalt“, unterstrich der Theologe. „Und wir bekennen uns zugleich zu der bleibenden Erwählung des Volkes Israel und zu den jüdischen Wurzeln unseres christlichen Glaubens.“
Mit den Novemberpogromen vor 85 Jahren gingen die Nationalsozialisten zur offenen Gewalt gegen die jüdische Minderheit vor. Während der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 brannten unzählige Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden verwüstet und jüdische Bürger misshandelt und getötet. Das öffentliche Leben der Juden in Deutschland kam nach den Pogromen völlig zum Erliegen. Nach den gewaltsamen Übergriffen begann auch die flächendeckende staatliche Enteignung jüdischen Besitzes. Drei Jahre später, im Jahr 1941, setzten die Deportationen deutscher Juden in die Todeslager ein.