Eine Aufarbeitung der Beziehungen Deutschlands mit Russland fordert das katholische Osteuropahilfswerk Renovabis. Hauptgeschäftsführer Thomas Schwartz rief den Bundestag am Donnerstag zur Einrichtung einer entsprechenden Enquete-Kommission auf. Diese müsse insbesondere die Zeit seit Putins Amtsantritt in den Blick nehmen.
Zum Abschluss des 27. Internationalen Renovabis-Kongresses sagte Schwartz, es sei Selbstkritik angesagt: “Haben wir in Deutschland unseren EU-Partnern im Osten nicht zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt und dagegen zu sehr auf unseren eigenen Vorteil geschaut?” Jetzt sei die Zeit für eine “ehrliche und schonungslose Reflexion”.
An dem Kongress in München zum Thema “Freiheit, die ich meine … – Europa zwischen Aufbruch, Ernüchterung und Bedrohung” nahmen nach Angaben des Veranstalters seit Mittwoch mehr als 200 Personen aus 26 Ländern teil. Dabei hätten sie auch analysiert, wie die Aufbruchsstimmung von 1989 zunehmender Skepsis gegenüber westlichen Leitbildern gewichen sei.
Der Bonner Politikwissenschaftler Andreas Heinemann-Grüder sagte, der Systemwechsel habe die tiefgreifendste sozio-ökonomische Krise der Neuzeit mit sich gebracht. Demokratie müsse sozial und wehrhaft sein, sonst verliere sie ihren Rückhalt in der Bevölkerung. Die Linzer Theologin Klara Antonia Csiszar beklagte, die Kluft zwischen Ost und West scheine tiefer zu sein als je zuvor. Das liege auch daran, dass die Menschen mehr übereinander als miteinander sprächen.
Der Kongress erörterte die Lage in Serbien, Bosnien und Herzegowina und Belarus sowie die Folgen des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Knut Abraham würdigte die geschlossene und schnelle Reaktion der EU auf den Kriegsbeginn als “Sternstunde der Europäischen Union”. Dabei hob er hervor, dass die Ukraine nun als Beitrittskandidat behandelt werde.