Düsseldorf (epd). Wo die Gesellschaft besonders anfällig ist für Rassismus, sollte nach Ansicht des Theologen Manfred Rekowski wissenschaftlich geklärt werden – auch im Blick auf «Racial Profiling» bei der Polizei. Dass Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) «an dieser Stelle so blockt», kann der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland nicht verstehen. Im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd) äußert er sich auch zur Umbenennung von Straßen und zur Frage, wie sehr sich die Kirche kulturell öffnen muss.
• epd: Nach dem jüngsten Verfassungsschutzbericht ist die Zahl von Rechtsextremisten 2019 deutlich gestiegen. Innenminister Horst Seehofer (CSU) bezeichnete Rechtsextremismus, Rassismus und Antisemitismus als die «größte Bedrohung für die Sicherheit in Deutschland». Welche Konsequenzen muss diese Erkenntnis haben?
Rekowski: Die Entwicklung ist besorgniserregend. Es muss einen Konsens der Demokraten und Menschen guten Willens geben, dem Rechtsextremismus entschieden zu widersprechen, wo immer diese Gesinnung zutage tritt. Als Kirche wenden wir uns gegen Ausgrenzung und gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, die typisch für den Rechtsextremismus ist. Ihr muss man Modelle gelingenden Zusammenlebens entgegenstellen. Deshalb treten wir für Vielfalt ein und bringen in Gemeinden und Diakonie Menschen unterschiedlicher
Herkunft und Milieus zusammen.
• epd: Wie ist es denn bislang um Vielfalt in der Kirche bestellt?
Rekowski: Wir sind von der Notwendigkeit einer kulturellen Öffnung überzeugt, weil wir sagen: Zu Gottes großer Menschenfamilie gehören die unterschiedlichsten Menschen dazu. Da ist zwar schon viel gelungen, aber wir müssen selbstkritisch sagen, dass wir durchaus noch eine Wegstrecke vor uns haben. Unsere Innenstädte sind ziemlich bunt, das bildet sich so in unseren Gemeinden und Leitungsorganen zu selten ab. Wir beschränken uns häufig auf unsere angestammten Milieus.
• epd: Wie kann sich das ändern?
Rekowski: Wir müssen offener, aktiver und fantasievoller als bislang auf die Menschen vor unserer Haustür zugehen. Lernen durch Begegnung ist nach wie vor das beste Rezept; es reduziert die Anfälligkeit für extremistisches Gedankengut deutlich.
• epd: Im Zuge der Rassismusdebatte wird über Kolonial-Denkmäler und
die Umbenennung von Straßen diskutiert. Wie denken Sie darüber?
Rekowski: Ich würde nicht den Versuch unternehmen wollen, unsere Geschichte klinisch zu reinigen. Man muss im Straßenbild und an Straßennamen auch wahrnehmen können, welche Haltungen und Einstellungen früher bei uns prägend waren. Die Kolonialgeschichte mit ihren unsäglichen Nebenwirkungen hat es ja gegeben, und sie findet ihren Niederschlag auch in Straßenbezeichnungen. Diese Namen müssen aber eingeordnet und interpretiert werden. Anders verhält es sich mit der Benennung neuer Straßen: Hier müssen von vorneherein die ethischen Kriterien berücksichtigt werden.
• epd: Mit der Kolonialgeschichte ist auch die Missionsgeschichte
verknüpft.
Rekowski: Das ist bei der Beschäftigung mit unserer Vergangenheit ein offenes und wichtiges Thema. In der Kirchengeschichte gab es nicht nur Ruhmesblätter, und die Ausbreitung des Christentums war auch mit Gewalt verbunden. Die Christenheit hat hier Schuld auf sich geladen und trägt große Verantwortung.
• epd: In der Debatte über Rassismus wird auch über sogenanntes
Racial Profiling bei der Polizei gesprochen. Innenminister Seehofer
ist gegen eine unabhängige Studie. Für wie wichtig halten Sie es,
dass solche Fragen wissenschaftlich untersucht werden?