Im vergangenen Jahr haben in Deutschland fast Dreiviertel der Asylsuchenden, über deren Schutzbegehren inhaltlich entschieden wurde, auch Schutz erhalten. Dies geht aus einer Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag hervor, die dem Evangelischen Pressedienst (epd) vorliegt. Die Fraktion erkundigte sich darin nach der sogenannten bereinigten Schutzquote, die formelle Entscheidungen außen vor lässt und nur jene Bescheide berücksichtigt, bei denen tatsächlich eine inhaltliche Prüfung des Asylgesuchs vorgenommen wurde. Sie lag im vergangenen Jahr bei 72,3 Prozent – nach Angaben der Linken so hoch wie noch nie.
Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf), das die Asylentscheidungen trifft, gibt demgegenüber nur eine Gesamtschutzquote an, in die auch Ablehnungen aus formellen Gründen einfließen, etwa wenn ein anderer EU-Staat für die Aufnahme zuständig ist. Über die Asylberechtigung sagen diese Entscheidungen nichts aus. Die Schutzquote des Bamf lag 2022 bei 56,2 Prozent – damit aber auch deutlich höher als in den Vorjahren (2021: 39,9 Prozent, 2020: 43,1 Prozent).
Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine ohne Asylverfahren
Deutlich wird der Unterschied, wenn man die beiden Hauptherkunftsländer Asylsuchender im vergangenen Jahr betrachtet: Die Schutzquoten für die von Krieg und Repression gezeichneten Länder Syrien und Afghanistan gibt das Bundesamt mit 90,3 und 83,5 Prozent an. In der bereinigten Schutzquote, die nur die inhaltlichen Entscheidungen zählt, liegt die Schutzquote für diese Länder bei nahezu 100 Prozent. Die Ukraine ist in der Statistik nicht enthalten, da Kriegsflüchtlinge von dort kein Asylverfahren durchlaufen müssen, um in Deutschland bleiben zu können.
Die Rekord-Schutzquote mache deutlich, wie sehr sich die Lage in vielen Herkunftsländern verschlechtert habe und wie sehr Asylsuchende Hilfe benötigten, sagte die Linken-Abgeordnete Clara Bünger dem epd. „Da nützt es nichts, rechtswidrige, realitätsferne und inhumane Debatten über eine Begrenzung der Fluchtmigration zu führen“, sagte sie. Wegen der im vergangenen Jahr gestiegenen Zahl von Flüchtlingen waren Forderungen unter anderem nach einem stärkeren Grenzschutz an der EU-Außengrenze lauter geworden.
Fast 90.000 Asylentscheidungen landen vor Gericht
Die Antwort des Bundesinnenministeriums auf die parlamentarische Anfrage der Linken enthält auch eine Bilanz der Asylklagen bis Ende November 2022. Demnach gab es in den elf Monaten des vergangenen Jahres fast 90.000 Asylentscheidungen vor Gerichten. Gut die Hälfte (rund 47.000) Euro wurde auf formellem Wege entschieden.
Bei den inhaltlichen Entscheidungen wurde den Angaben zufolge in mehr als einem Drittel (37 Prozent) der Fälle die Entscheidung des Bamf zugunsten des oder der Schutzsuchenden korrigiert und ein Schutzstatus erteilt. Das betraf fast 16.000 Menschen. Hinzu kamen Entscheidungen, die das Bamf nachträglich selbst korrigiert hat. Bünger zufolge erhielten bis Ende November 2022 mehr als 37.000 zunächst abgelehnte Asylsuchende am Ende doch einen Schutzstatus. Die vielen Fehlentscheidungen seien nicht nur für die Betroffenen dramatisch, sie kosteten die öffentliche Hand auch viel Geld, kommentierte Bünger die Bilanz.