Dem Nürnberger Evangelischen Forum für Frieden (NEFF) droht der Rauswurf aus dem Nürnberger Evangelischen Bildungswerk (EBW). Aus rechtlichen Gründen müsse man das NEFF als Mitglied ausschließen, wenn sich dieses nicht von seinem Arbeitskreis (AK) Palästina trenne, bestätigte die Geschäftsführerin des EBW, Christine Ursel, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Ein Schreiben mit einer Frist bis zum 24. April sei Anfang der Woche an eine der Sprecherinnen des NEFF geschickt worden.
Auf der Homepage des AK Palästina sei am 9. Oktober 2023, zwei Tage nach den Morden von Hamas-Terroristen an israelische Zivilisten, eine Erklärung des „Bündnisses zur Gerechtigkeit zwischen Israel und Palästina“ (BIP) gepostet worden. In dem Text schreibt BIP, dass nach dem Angriff auf Israel zu befürchten sei, dass die israelische Reaktion nicht verhältnismäßig sein werde. Zudem wird die Bundesregierung aufgefordert, auch Fälle von israelischer Gewalt zu verurteilen.
Das Dekanat Nürnberg, zu dem auch das EBW gehört, wirft deshalb dem AK vor, er habe nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel „empathielos“ reagiert. In einem einstimmigen Beschluss habe der Dekanatsausschuss dies als eine einseitige Stellungnahme für Palästina gewertet, sagte der Nürnberger Dekan, Jonas Schiller, dem epd.
Man wolle das Engagement des NEFF für den Frieden nicht diskreditieren, aber man wolle auch nicht, dass der Eindruck entstehe, „dass der AK Palästina in Nürnberg für die evangelische Kirche spricht“, erklärte Schiller. Ziel des Beschlusses sei, dies strukturell klarzumachen.
Das NEFF soll deshalb auch das Logo der landeskirchlichen Einrichtungen nicht mehr benutzen und auch keine Homepage in dem Standardformat anderer landeskirchlicher Internetauftritte betreiben, führte Schiller vor Kurzem auch vor den Mitgliedern der Dekanatssynode aus. Man wolle dem Arbeitskreis zudem keine kirchengemeindlichen Räume mehr zur Verfügung stellen. Schiller sagte aber auch: „Es gibt ein Angebot für einen persönlichen Austausch mit den Aktiven des AK.“
Hans-Günther Schramm, Sprecher des NEFF, sagt zu dem Ärger, den der AK Palästina mit der Veröffentlichung des BIP-Statements auf der Homepage ausgelöst hat: „Da ist nichts drin, was den Überfall der Hamas auf Israelis begrüßt.“ Es komme in dem Text „nur das Wort Massaker nicht vor“. Schramm betont, das NEFF propagiere Gewaltfreiheit und fordere sie von allen Seiten ein. „Wir wollen das, was Jesus vorgelebt hat“, erklärt er und fügt hinzu, der Arbeitskreis würde sogar „Beruhigungspolitik“ betreiben, wenn sich etwa Palästinenser in den Sitzungen des AK sehr erregten. „Das kriegt das Dekanat alles gar nicht mit.“
Das in solchen Zusammenhängen oft angeführte Argument, Deutsche hätten eine besondere Verantwortung und dürften sich nicht ansatzweise dem Verdacht des Antisemitismus aussetzen, kennt Schramm. „Es gibt diese Verantwortung, aber ich muss mein Handeln nach dem Heute ausrichten“, sagt er.
„Wir haben das Existenzrecht Israels immer betont“, erklärt Schramm, aber wenn man sich über die Politik in Palästina informiere, komme man an einer Kritik an der Besatzungspolitik Israels gar nicht vorbei. Sollte das NEFF aus dem EBW ausgeschlossen werden, fände das Schramm nicht schön, sieht es zugleich aber auch gelassen: „Wir bleiben ein eingetragener Verein evangelischer Christen.“ Von der Mitgliedschaft im EBW habe das NEFF pro Jahr eine Förderung von etwa 50 Euro.
Sie wolle das NEFF keinesfalls grundsätzlich schlecht machen, sagt EBW-Geschäftsführerin Ursel, „es macht tolle Arbeit – gerade unter dem Motto ‘Schwerter zu Pflugscharen’ oder für die Bewahrung der Schöpfung“. Nach dem „Bayerischen Gesetz zur Förderung der Erwachsenenbildung“ würden aber Mitgliedseinrichtungen im Namen und im Auftrag des Bildungswerks tätig. Dabei dürften keine „anderen Zwecke“ verfolgt werden. „Das hieße in diesem Fall, dass eine einseitige Darstellung politischer Positionen einen ‚anderen Zweck‘ darstellt.“ Im Selbstverständnis des Bildungswerks seien eine differenzierte Sicht der Dinge aus verschiedenen Perspektiven und ein begleitetes Lernen grundlegend. Ursel fürchtet, wenn man sich nicht vom NEFF trenne, käme man mit diesem Fördergesetz in Konflikt.
Zwischen dem Nürnberger Dekanat und dem NEFF hat es in den vergangenen zehn Jahren bereits mehrfach gekracht. 2017 beendete das Dekanat die Zusammenarbeit wegen eines Flugblatts des AK Palästina, in dem zum „Boykott aller Waren ‘made in Israel’“ aufgerufen wurde. Die Gruppe flog damals aus dem Haus der Kirche „eckstein“ und hatte anschließend sein Büro in der Gustav-Adolf-Gedächtniskirche. Zuvor hatte es bereits Gespräche gegeben, um eine Trennung zu vermeiden, etwa nachdem NEFF 2012 die umstrittene Ausstellung „Die Nakba – Flucht und Vertreibung der Palästinenser 1948“ nach Nürnberg geholt hatte. (00/0953/22.03.2024)