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Radikale Ich-Perspektive dominiert Jugend-Reportagen bei ARD und ZDF

Neue Reportageformate in ARD und ZDF für ein junges Publikum setzen laut einer wissenschaftlichen Untersuchung noch radikaler als bislang auf die Ich-Perspektive der Reporterinnen und Reporter. Das zeigte eine Studie der Otto Brenner Stiftung, die 427 Reportagen aus den Reihen „Vollbild“ (SWR), „exactly“ (MDR), „Ultraviolet Stories“ (ZDF), „Crisis – Hinter der Front“ (SWR) und „Puls-Reportagen“ (BR) untersuchte. Neben gesellschaftlichen Themen aus Politik oder Wirtschaft widmeten sich die Presenter-Stücke vor allem Themen wie Partnerschaft und Gesundheit, teilte die gewerkschaftsnahe Stiftung am Donnerstag in Frankfurt am Main mit.

Die meist jungen Reporterinnen und Reporter setzten auf eigene Erlebnisse sowie daraus resultierende Erfahrungen, Meinungen und Gefühle. „Nahezu jedes Thema wird über ihre persönlichen Erwartungen, Erfahrungen, Eindrücke oder Emotionen präsentiert. Durch diese Personalisierung stehen die Reporter*/innen regelmäßig im Fokus der Erzählung“, erklärte Studienautor Janis Brinkmann.

In den Reihen „exactly“ und „Crisis – Hinter der Front“ hätten die ostdeutsche Lebenswirklichkeit und internationale Konflikte einen deutlich höheren Stellenwert als bei früheren Jugend-Formaten etwa aus dem „Funk“-Netzwerk, die Brinkmann 2022 untersucht hatte. Diese thematische und perspektivische Erweiterung der Berichterstattung sei zu begrüßen, befand er.

In vielen Beiträgen seien die Reporterinnen und Reporter aber auch Hauptquelle, Akteur und Bewertende. Investigative Recherchen und andere Quellen seien kaum erkennbar, wissensorientierte oder erklärende Aufbereitungsstrategien kämen nur am Rande vor. „Was authentisch gedacht ist, kann auch ins Selbstreferenzielle kippen, wenn echte Erfahrungen und Erlebnisse der Reporter*/innen fehlen, aber persönliche Bezüge trotzdem integriert werden sollen“, befand Brinkmann. Das führe in manchen Fällen zu einem „wenig authentischen Selfie-Journalismus“.