Margot Käßmann erinnert sich noch gut an das Krippenspiel in der Herrenwaldkirche von Stadtallendorf, in der sie die Rolle des Engels übernahm. „Von der Kanzel durfte ich der Gemeinde ‚Friede auf Erden‘ zurufen. Vielleicht wollte ich deshalb später auf die Kanzel und wurde so friedensbewegt?“, erzählt die frühere Bischöfin mit einem Zwinkern. Ihr heutiger Lebensgefährte habe das Krippenspiel mit ihnen eingeübt, obwohl er katholisch war. „Und unser Freund Fehim durfte einen Hirten spielen, obwohl seine Familie aus der Türkei zugezogen war.“
Wer einmal in einem Krippenspiel mitgewirkt hat, macht bleibende Erfahrungen. Friederike Jaeger vom Gottesdienstinstitut der Nordkirche ist auch Gemeindepastorin im mecklenburgischen Reinshagen. Hinter ihr liegen Zoom-Workshops über Krippenspiele für Wissbegierige aus Kirchengemeinden, vor ihr die eigene Krippenspiel-Aufführung ihrer Gemeinde Heiligabend. „In einer vollen weihnachtlich geschmückten Kirche nimmt man beim Krippenspiel als Mitspielende ein bisschen am Himmel teil – am heiligen Spiel“, erklärt sie die bleibende Wirkung der weihnachtlichen Aufführungen. Dazu kommt das Lampenfieber, das sich mit der Vorfreude auf das Fest mischt. „Es ist aufregend, vor einer vollen Kirche zu stehen, wenn alle zuschauen“, sagt sie. „Sitzt der gelernte Text?“
Um den Text musste sie sich früher keine Sorgen machen. Ist sie doch mit einem Krippenspiel aufgewachsen, das Jahr für Jahr aufgeführt wurde. „Man hat sich hochgearbeitet“, sagt sie und lacht. Als Engel fingen die Kinder an und lauschten dabei den anderen. „Daher kannte man schon den Text.“ Das Ziel vieler Mädchen sei damals die Rolle der Maria gewesen.
Das queer-feminstische Krippenspiel über Josy und Mary
Doch wer Rollen verteilt, ordnet häufig auch Geschlechter zu. 2023 wollte ein Berliner Kirchenprojekt das traditionelle Familienbild aus den Evangelien durchbrechen, aus Maria und Josef wurden zwei Frauen: „Josy und Mary“. Das queer-feministische Krippenspiel sorgte für Schlagzeilen. Dieses Jahr soll es ein queeres Krippenspiel in Köln geben.
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Diskussionen um Rollen und Geschlecht sind Pastorin Jaeger in ihren Krippenspiel-Vorbereitungen bisher nicht untergekommen. „Im Gegensatz zu unseren Sommertheater-Projekten. Unter Jugendlichen ist das durchaus immer wieder Thema“, erzählt sie von ihren weiteren Schauspiel-Angeboten im Kirchenjahr. Sie weiß jedoch, wie offen die Geschichte der Geburt Jesu für unterschiedlichste Menschen und Identitäten sein kann: Hirte oder Hirtin, Wirt oder Wirtin, Weise, Engel. „Es wird besetzt, so wie die Spielerinnen und Spieler eben da sind“, sagt sie und verweist auf einen gewissen Pragmatismus in vielen Gemeinden. „Wenn ein Junge fehlt, übernimmt halt ein Mädchen Josef.“
Daniel Günther hat sich Krippenspiele angesehen
Die Pastorin schätzt Inszenierungen in den Kirchengemeinden, bei denen auch Jugendliche und Erwachsene mitwirken. „Ich finde es schade, wenn Hauptamtliche nur an kleine Kinder denken. Es impliziert, dass so ein Stück vor allem etwas Niedliches ist“, sagt sie.
Doch auch diese Aufführungen bleiben manchmal in Erinnerung. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günter (CDU) konnte zwar nie mitspielen, saß aber als kleiner Junge in der Gemeinde. „Von meinem fünften Lebensjahr an ist meine Familie über Weihnachten und Neujahr immer nach Österreich in den Urlaub gefahren. Deswegen habe ich selbst nie in einem Krippenspiel mitgewirkt“, sagt der Katholik. „Aber wir haben es uns immer angesehen, denn in dem Ort in Tirol sind unsere Eltern mit uns jedes Weihnachten in den Kindergottesdienst gegangen, und auch dort wurde ein Krippenspiel aufgeführt.“
Manuela Schwesig geht zum Krippenspiel im Schweriner Dom
Und seine Mecklenburger Amtskollegin Manuela Schwesig (SPD)? Auch sie hat weder Hirte, Maria noch Engel verkörpert. „Ich gehe aber jedes Jahr sehr gerne zum Weihnachtsgottesdienst mit Krippenspiel in den Schweriner Dom“, sagt die Protestantin, die sich 2010 taufen ließ.
Was zu sehen ist, ist meist Inbegriff der Kreativität. „Es ist nicht einfach, ein gutes Krippenspiel zu finden“, sagt Jaeger. Deswegen gebe es viele selbst geschriebene Stücke. „Ein Krippenspiel sollte gute Verkündigung sein. Nicht Beiwerk, das noch durch eine Predigt ergänzt oder erklärt werden muss.“ Pastorin Jaeger wird übrigens in ihrer Gemeinde in Reinshagen Heiligabend wieder im Chor der Engel mitsingen.