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Präsident trotz historischer Wahlschlappe: Zweite Runde für Ramaphosa

Vor wenigen Jahren noch war er in Südafrika als „Aufräumer“ angetreten. Doch inzwischen ist die „Ramaphoria“, die Euphorie, mit der Staatschef Cyril Ramaphosa bei seinem Amtsantritt 2018 gefeiert wurde, abgeflaut. Dennoch wurde der 71-Jährige am Mittwoch feierlich für eine zweite Amtszeit vereidigt.

Der Erfolg kann nicht über die historische Wahlschlappe für Ramaphosas Partei, die frühere Befreiungsbewegung ANC (African National Congress) hinwegtäuschen. Bei der Wahl am 29. Mai verlor der ANC mit einem Anteil von 40 Prozent der Stimmen erstmals seit dem Ende des rassistischen Apartheidregimes vor mehr als 30 Jahren die absolute Mehrheit.

Das Amt an der Staatsspitze konnte sich Ramaphosa letztlich nur dank der Rückendeckung der größten Oppositionspartei Democratic Alliance (DA) und einer Reihe kleinerer Parteien sichern. Es war ein Deal in letzter Minute: Als sich am Freitag vergangener Woche das neu gewählte Parlament zu seiner ersten Sitzung zusammenfand, um einen neuen Präsidenten zu bestimmen, war morgens noch nicht klar, ob die DA Ramaphosa als Anwärter auf das Präsidentenamt stützen würde. Am späten Freitagabend aber, nach einer langwierigen ersten Sitzung, wurde Ramaphosa mit 283 von 339 Stimmen wiedergewählt.

In einem historischen Zusammenschluss haben nun die eigentlich rivalisierenden Parteien ihren Willen zur Zusammenarbeit bekundet. Diese plant der ANC gemeinsam mit der DA sowie mehreren kleineren Parteien unter dem Banner einer „Regierung der Nationalen Einheit“.

Am Mittwoch war bei der Amtseinführung von der Zitterpartie der vergangenen Woche nichts zu spüren. Kanonenschüsse, die Nationalhymne und mehrere Militärhelikopter, die mit der südafrikanischen Flagge geschmückt einen Rundflug über die Gesellschaft machten, begleiteten die Zeremonie in der Verwaltungshauptstadt Pretoria. „Wir bekräftigen unser entschlossenes Bestreben, eine wachsende und integrative Wirtschaft aufzubauen, die allen Menschen Chancen und Lebensgrundlagen bietet. Wir widmen uns erneut der Aufgabe der demokratischen Erneuerung und des sozialen und wirtschaftlichen Wandels, damit niemand zurückgelassen wird“, erklärte Ramaphosa. Die Stärkung der Wirtschaft ist einer der Schlüsselpunkte der neuen Koalition und eines der drängendsten Themen im Land.

Mit einer Arbeitslosigkeit von rund 40 Prozent, regelmäßigen Stromausfällen und dem Versagen staatlicher Dienstleistungen ist die Frustration in der Bevölkerung groß. Dabei kann die schwierige Lage in großen Teilen des Landes kaum Ramaphosa allein angelastet werden. Vor allem unter der Regierung seines Vorgängers Jacob Zuma zwischen 2009 und 2018 wurden die Staatskassen systematisch geplündert. Dennoch schaffte es der charismatische Zuma, der letztlich aufgrund von Korruptionsvorwürfen zurücktreten musste, bis zuletzt viele Menschen von sich zu begeistern. Ramaphosa gelang dies nicht immer. Dem erfolgreichen Geschäftsmann und Juristen, der im Township Soweto aufwuchs, wird vorgeworfen, von der Lebensrealität der Südafrikaner abgekoppelt zu sein. In den vergangenen Jahren hagelte es Kritik an Ramaphosa, der von vielen Menschen für den wirtschaftlichen Stillstand des Landes verantwortlich gemacht wird.

Seine ersten politischen Erfahrungen machte er wie viele ANC-Politiker im Kampf gegen das System der Apartheid. In den 1980er Jahren führte Ramaphosa die Gewerkschaft der Minenarbeiter in einem der größten Streiks in der Geschichte Südafrikas an und erwarb sich den Ruf als zäher Verhandler.

Als Freiheitsikone Nelson Mandela 1994 schließlich Südafrikas erster schwarzer Präsident wurde, schielte Ramaphosa auf den Posten als Vize. Daraus wurde jedoch nichts, woraufhin er sich dem Privatsektor zuwandte. Ramaphosa machte Geschäfte in den wichtigsten Wirtschaftsbereichen des Landes wie dem Energiesektor oder dem Bankwesen. 2015 galt Ramaphosa mit einem Nettovermögen von umgerechnet rund 420 Millionen Euro als einer der reichsten Männer Südafrikas.

Die Politik ließ er dennoch nie aus den Augen. 2018 schließlich übernahm er das Amt des Präsidenten. Nach den „neun verlorenen Jahren“ unter Zuma galt Ramaphosa als Kontrast zum Vorgänger: ein Reformator und Geschäftsmann, der die Wirtschaft auf die Beine bringen würde. Viel ist von diesem Bild nicht mehr übrig.