Der Berliner Politikwissenschaftler Wolfgang Merkel ist gegen ein Verbot der AfD. „Wir würden rund 20 Prozent der Wählerschaft ohne Repräsentanz lassen“, sagte der Demokratieforscher dem Berliner „Tagesspiegel“ (Freitag/Online): „Aber nicht, weil wir sie überzeugt haben, sondern durch ein Verbot der Partei, die sie in freien Wahlen gewählt haben.“
Das verhindere die Selbstreflexion der demokratischen Parteien, was sie falsch gemacht haben, dass sich die AfD so ausbreiten konnte, sagte Merkel. Ein solcher Prozess sei jenseits der Migrationspolitik aber bisher kaum erkennbar.
Merkel findet zudem, dass das pluralistische Spektrum in einer liberalen Demokratie nicht mit vorschnellen illiberalen Verboten eingeschränkt werden dürfe: „Wir sollten uns von den missratenen historischen Vergleichen mit dem Untergang der Weimarer Republik lösen.“
Ein Verbotsantrag wäre zudem ein Konjunkturprogramm für die AfD im Wahljahr 2024, warnte er. Entschieden werde viel später, aber der Antrag würde Trotz auslösen gegen die etablierten demokratischen Parteien. Wenn das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe dann ein Verbot ablehne, wäre das eine weitere „Vitalisierungsspritze für die AfD“.
Merkel kritisierte zudem, die sogenannten Anständigen blieben zu sehr unter sich. Sie seien die relevanten Stimmen in den Nachrichten: „Sie haben die AfD aber noch nicht dazu gebracht, von ihrer rassistischen und fremdenfeindlichen Politik abzulassen.“ Diese Logik müsse sich auf dem Wählermarkt durchsetzen: „Dafür braucht es aber nicht nur die Zivilgesellschaft, sondern eine überzeugende Politik der Regierenden.“