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Politiker, Prediger und Friedensnobelpreisträger

Mehr Einsatz für Demokratie und soziale Gerechtigkeit hat der ehemalige US-Präsident Jimmy Carter immer wieder gefordert. Kurz vor dem Jahreswechsel und knapp drei Monate nach seinem 100. Geburtstag ist er am Sonntag (Ortszeit) gestorben. Nach mehreren Krankenhausaufenthalten hatte er im Februar 2023 bekannt gegeben, sich zu Hause nur noch palliativ versorgen zu lassen. Im November 2023 war seine Ehefrau Rosalynn Carter gestorben, mit der er 77 Jahre verheiratet war.

Sein Durchhaltevermögen hatte nicht nur seine Familie überrascht. Im Sommer hatte Carter noch gesagt, er könne kaum erwarten, bei der US-Präsidentschaftswahl seine Stimme für Kamala Harris abzugeben, die Kandidatin der Demokraten. Die Aussicht, dass mit seiner Parteikollegin erstmals eine Frau ins Präsidentenamt kommen könnte, habe ihn elektrisiert, verriet sein Enkel Jason Carter kürzlich.

Der ehemalige Nuklear-Ingenieur, U-Boot-Offizier und Erdnussfarmer stammte aus einfachen Verhältnissen. James Earl Carter wurde am 1. Oktober 1924 in den Südstaaten der USA, in Plains in Georgia geboren. Ohne Elektrizität und fließendes Wasser wuchs er auf der Farm seiner Eltern auf. Sein breites Grinsen und sein Südstaatenakzent zählten zu seinen Markenzeichen.

Zunächst als hinterwäldlerischer Erdnussfarmer verspottet, gewann der Demokrat Carter als Gouverneur von Georgia die US-Präsidentschaftswahl 1976 gegen den amtierenden Republikaner Gerald Ford. Sein Versprechen an die Wähler: „Ich werde euch niemals anlügen.“

In seine Amtszeit fielen die Öl- und Wirtschaftskrisen und die gescheiterte Befreiungsaktion von 52 amerikanischen Geiseln in Teheran. Er war maßgeblich an dem Friedensabkommen von Camp David zwischen Israel und Ägypten 1978 beteiligt. Für seinen Einsatz für Völkerverständigung, Demokratie und Menschenrechte erhielt er 2002 den Friedensnobelpreis.

Immer wieder lud er Musiker für Konzerte ins Weiße Haus ein. Ob Country, Jazz, Blues, Gospel oder Klassik, Carter war überzeugt davon, dass Musik eine zerstrittene Nation versöhnen könne. Liebevoll wird er deshalb auch als „Rock’n Roll-Präsident“ bezeichnet.

Schon früh machte er sich für den Klimaschutz stark. Während seiner Amtszeit von 1977 bis 1981 ließ er eine Fotovoltaikanlage auf dem Dach des Weißen Hauses installieren, die sein Nachfolger Ronald Reagan allerdings wieder entfernen ließ. In seinem Heimatort Plains erzeugt eine Solaranlage auf Carters früherer Erdnussfarm Strom.

Als Ex-Präsident gründete er 1982 gemeinsam mit seiner Frau die Stiftung Carter Center, die sich für die Eindämmung internationaler Konflikte, die Stärkung von Demokratie und für die Bekämpfung tropischer Krankheiten in Entwicklungsländern einsetzt.

Dem gläubigen Christen bot die Bibel in Politik und Privatleben Orientierung. Den evangelischen Laienprediger prägten Theologen wie Karl Barth, Dietrich Bonhoeffer, Jürgen Moltmann und Hans Küng. Noch mit mehr als 90 Jahren leitete der Vater einer Tochter und drei Söhnen regelmäßig die Sonntagsschule. Als Autor hat Carter 32 Bücher geschrieben, auch über seinen christlichen Glauben.

Carter meldete sich immer wieder auch bei kirchlichen Streitfragen zu Wort. Er kritisierte Kirchenleiter, die Frauen und Homosexuelle ausgrenzen. Weil dies seinem Verständnis von Jesu Lehre widersprach, verließ er nach Ende seiner Amtszeit gemeinsam mit seiner Frau Rosalynn die konservativen Südlichen Baptisten.

Seine Anhänger würdigen Carters Eigenschaften wie Bescheidenheit und Demut, Aufrichtigkeit und Klugheit, Freundlichkeit und Humor. Beliebt war er auch lange nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus. Die Hände in den Schoß zu legen, war nicht sein Ding. So half er noch als 95-Jähriger beim Bau von Häusern für einkommensschwache Familien – getreu seinem (biblischen) Motto: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“

Angst vor dem Sterben habe er nicht, schrieb Carter, nachdem er 2015 schwer an Krebs erkrankte, in seinem Buch „Faith“ (Glaube). Vielmehr blicke er mit Dankbarkeit und Freude auf sein langes Leben zurück.