Viele Pflegeheimbetreiber in Deutschland geraten nach Informationen des Bremer Gesundheitsökonomen Heinz Rothgang mit Blick auf offene Rechnungen und die schlechte Zahlungsmoral von Sozialhilfeträgern in Schwierigkeiten. „Es gibt zig-Millionen Rückstände“, sagte Rothgang dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das bringe Einrichtungen an den Rand des Ruins. „Dazu kommt: Wir brauchen mehr Flexibilität bei den Pflegesatzverhandlungen.“ Die Höhe der Pflegesätze wird in der Regel zwischen den Sozialhilfeträgern und den Trägern der Pflegeeinrichtungen vereinbart.
Wenn aufgrund des Personalmangels in der Pflege Betten nicht belegt werden könnten, sei auch das ein zentrales Insolvenzrisiko, ergänzte Rothgang. „Dann stimmt meine Kalkulation nicht mehr.“ Die in Schwierigkeiten geratene Convivo-Unternehmensgruppe beispielsweise habe am Ende in Bremen eine Belegung von unter 75 Prozent gehabt. „Vereinbart werden in Pflegesatzverhandlungen aber in der Regel Werte oberhalb von 95 Prozent.“
Jeder ungeplante Leerstand führe dann zu Defiziten. „Die Einrichtungen, die knapp kalkuliert haben – das sehen wir häufig bei Pflegeketten – sind da stärker betroffen.“ Werde alternativ Leiharbeit eingesetzt, entstünden aber auch Defizite, da diese viel teurer sei und nicht refinanziert werde. Rothgang: „Personalunterbesetzungen wiederum können dazu führen, dass weiteres Personal das Heim verlässt. Dann kommt die Einrichtung schnell in eine Abwärtsspirale.“
Weitere Kostenrisiken seien neben der allgemeinen Inflation vor allem Indexmietverträge. „Große Ketten besitzen die Immobilien ja häufig nicht, sondern haben sie gemietet. Und diese Mietverträge sind oft per Index an die Inflation gekoppelt.“ Flexibilität in den Pflegesatzverhandlungen bedeutet laut Rothgang in solchen Situationen, dass zeitnah reagiert werden muss und die Kostenträger nicht mauern dürfen: „Wenn die Kosten aufgrund der unerwarteten Inflation explodieren, kann man nicht sagen, die nächsten Verhandlungen sind in einem Jahr.“
Rothgang zufolge ist die Zahl der Pflegeplätze, die durch Pleiten verloren gehen, aber noch begrenzt. „Eine Kollegin hat nachgezählt und für die ersten vier Monate des Jahres 700 Plätze ermittelt. Bei mehr als 700.000 Plätzen, die wir in Deutschland haben, ist das weniger als ein Promille.“ Bei einem Eigentümerwechsel würden die Plätze fast alle unter anderer Leitung weiterbetrieben.
Aber die Pleiten zeigten die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der Anbieter, sagte Rothgang. „Zusammen mit den Leerständen, die wir in Einrichtungen haben, fehlenden Neubauten, die wir seit Jahren haben, ist die Lage für die Versorgungssicherheit schon schlimm.“