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Pflege als zweite “Schicht” – Firmen sollten Beschäftigten helfen

Bislang bleibt Pflege meist Privatsache. Doch ohne Rückhalt vom Arbeitgeber riskieren Betroffene ihre Gesundheit und womöglich den Job. Unternehmen können helfen – und sollten dies nach Worten von Fachleuten auch.

Vormittags die Präsentation im Job, nachmittags die betagte Mutter pflegen – das ist Alltag für nicht wenige Arbeitnehmer. Um Beruf und Pflege besser in Einklang zu bringen, sieht der BKK-Dachverband die Arbeitgeber in der Pflicht. Wichtig sei beispielsweise Flexibilität durch Vertrauensarbeitszeit, Gleitzeit oder Sabbaticals, erklärte Vorständin Anne-Katrin Klemm bei einer Online-Veranstaltung. Zudem sollten Unternehmen pflegenden Angehörigen, die oft ihre Stunden zugunsten der Pflege reduzierten, einen Tagespflegesatz zahlen.

Für Silke Völk vom Institut für Arbeit und Technik ist die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf ein “Megatrend”. Pflegende Arbeitnehmer riskierten dabei ihre Gesundheit und finanzielle Sicherheit. Erschöpfte Mitarbeiter im Krankenstand seien zudem ein Risiko für die Betriebs- und Wettbewerbsfähigkeit, warnte Völk. Unternehmen, die ihre Beschäftigten in dieser schweren Lebensphase unterstützten, reduzierten dagegen nicht nur die Folgekosten, sondern erhöhten auch ihre Attraktivität als Arbeitgeber. “Das kann Mitarbeiter binden und gewinnen.”

Einer Umfrage zufolge wissen laut Völk aber viele Unternehmen gar nichts von der Doppelbelastung ihrer Beschäftigten. Das Thema Pflege sei auch bei Mitarbeitergesprächen kein Thema. Dabei könnten schon flexible Arbeitszeiten und -orte wichtige Instrumente der betrieblichen Unterstützung sein. Die Vereinbarkeit von Pflege und Beruf dürfe aber nicht allein auf Unternehmen abgewälzt werden – die Politik müsse auch gute Rahmenbedingungen schaffen, forderte Völk.

Beim betrieblichen Gesundheitsmanagement des Automobilherstellers Audi spielt das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege seit 2014 eine wichtige Rolle. Inzwischen gebe es verschiedene Freistellungsmöglichkeiten, die über die gesetzliche Regelung hinausgehen, erklärte Katrin Schweiger vom Corporate Citizenship (etwa: Gesellschaftliches Engagement) des Unternehmens. Zudem gebe es eine Kooperation mit der Arbeiterwohlfahrt in Ingolstadt, wo Mitarbeiter unbürokratisch einen Pflegeplatz bekommen können, wenn sie bei der Pflege kurzfristig verhindert sind, sowie eine Zusammenarbeit mit der Deutschen Alzheimer Gesellschaft.

Regelmäßige Vorträge und Workshops rund um das Thema Pflege und Demenz könnten von den knapp 55.000 Beschäftigten hierzulande online verfolgt werden. Mitarbeiter können seit 2018 auch eine betriebliche Pflegeberatung aufsuchen – “wir sind überrannt worden”, erklärte Schweiger. Eine weitere Partnerschaft gebe es mit dem Sozialunternehmen famPLUS, das Beschäftigte – notfalls auch über mehrere Monate – bei der Suche nach einem Heimplatz unterstütze.

Neben der Belegschaft richte sich das Angebot auch an Führungskräfte. “Pflege ist immer noch ein Tabuthema”, erklärte Schweiger. “Je sensibilisierter die Führungskräfte sind, desto besser ist es.” Diese müssten wenigstens Grundkompetenzen bei dem Thema haben, wenn sich Mitarbeitende an sie wenden.