Der Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), Hermann Parzinger (65), steht seit 2008 an der Spitze des größten Verbundes von Museen, Bibliotheken, Archiven und Forschungsinstituten in Deutschland. Bis zu seinem Ruhestand im kommenden Jahr sieht Parzinger die weitgehende Umsetzung der Reformen in der SPK als seine Hauptaufgabe. Vor allem die Stärken der einzelnen Häuser müssten gefördert werden, sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd).
epd: Herr Parzinger, Sie sind noch bis Mai 2025 im Amt. Wie sieht ihre Agenda als Präsident der Stiftung Preußischer Kulturbesitz bis dahin aus?
Parzinger: Reform ist weiterhin das große Thema. Wir sind seit anderthalb Jahren in enger Abstimmung mit BKM und den Ländern sehr intensiv dabei und haben schon unglaublich viel auf den Weg gebracht. In Mitarbeiterteams erarbeiten wir derzeit konkrete Maßnahmen für unsere Vision „SPK 2030“. Das umfassendste und komplizierteste Thema ist die Reorganisation der Staatlichen Museen mit der Auflösung der Generaldirektion. Außerdem muss die bisher beim Präsidenten angesiedelte Hauptverwaltung als Zentrale Serviceeinheit neu aufgestellt werden, sie soll eine wichtige Ermöglichungsstruktur für die Einrichtungen werden. Wir wollen aus der SPK als zentral organisierter Institution einen Verbund von möglichst autonom agierenden Akteuren machen.
epd: Das ist die Zielrichtung. Was nehmen Sie sich persönlich vor?
Parzinger: Ich möchte diesen Prozess noch so weit wie möglich voranbringen. Die dringend nötige Neuordnung der Staatlichen Museen wird dann weitgehend abgeschlossen sein. Für die Mitarbeitenden muss die schon seit Jahren währende Hängepartie ein Ende haben. Außerdem sollten bis Mitte 2025 die Verhandlungen zwischen Bund und Ländern zum neuen Stiftungsgesetz, zur neuen Satzung und zum Finanzierungsabkommen weitgehend abgeschlossen sein.
epd: Ist ihre Nachfolgerin, die aktuelle Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden, Marion Ackermann, in diesen Prozess schon mit eingebunden?
Parzinger: Als Mitglied des Gesamtbeirats der SPK kennt sie den Prozess. Aber natürlich wird Marion Ackermann jetzt immer stärker einbezogen. Die begonnenen Weichenstellungen müssen wir bis Mai 2025 zu einem ersten Abschluss bringen, doch es bleibt noch viel zu tun.
epd: Was erhoffen Sie sich von der Novellierung des Stiftungsgesetzes?
Parzinger: Zum einen müssen die organisatorischen Veränderungen im Gesetz abgebildet werden: Die Rolle des Vorstands, die der künftigen Präsidentin als Vorstandsvorsitzende. Im Gespräch ist auch eine Umstellung der Haushaltsführung, möglichst weg von der traditionellen Kameralistik einer Behörde und hin zu einem Globalhaushalt wie in Unternehmen mit mehrjähriger Finanzplanung, was eine enorme Flexibilität und mehr Freiraum für uns bedeuten würde. Am Ende entscheidet die Ministerpräsidentenkonferenz mit dem Kanzler.
epd: Der Gesamthaushalt der Stiftung beträgt aktuell knapp 416 Millionen Euro. Davon übernimmt der Bund 75 Prozent, Berlin fast den ganzen Rest. Außerdem trägt der Bund komplett die Baukosten in einem gesonderten Haushalt. Wird sich daran etwas ändern?
Parzinger: Die Stimmengewichtung der Bundesländer im Stiftungsrat wird wohl so bleiben. Die Stimmenanteile entsprechen den Finanzierungsanteilen, allen voran Berlin als Sitzland. Aktuell hat der Bund im Stiftungsrat 120 Stimmen und die Länder zusammen 80 Stimmen. Für Beschlüsse braucht der Bund aber immer eine qualifizierte Mehrheit der Länder. Die Länder haben schon in Aussicht gestellt, dass sie ihren Anteil am Betriebshaushalt um zehn Prozent erhöhen werden. Offen ist noch, wie viel künftig der Bund dazugibt und ob das mit dem Zuschuss des Landes Berlin gekoppelt wird. Aktuell laufen die Gespräche noch.
epd: Was wünschen Sie sich?
Parzinger: Die Entkoppelung der Finanzierungsbeiträge von Bund und Berlin würde manches vereinfachen, und trotzdem hat Berlin neben dem Bund auch eine besondere Verantwortung für die SPK. Ich bin sicher, dass sich alle dessen bewusst sind und eine gute Lösung finden werden.
epd: Sind Sie traurig, den Neubeginn der Stiftung nicht mehr mitzubekommen?
Parzinger: Na ja, diesen Neubeginn gestalte ich jetzt ja noch kräftig mit. Und alles endet irgendwann einmal. Es ist gut, dass wir die zentralen Entscheidungen der Reform gemeinsam mit allen Beteiligten zügig voranbringen, um dann das Haus gut bestellt in andere Hände übergeben zu können. Danach bleibt noch genug zu tun.
epd: Im vergangenen Jahr sind fast 4,4 Millionen Besucher in den Häusern der Stiftung gezählt worden. Das Pergamonmuseum allein zählte bis zu seiner Schließung im Oktober rund 708.000 Besuche. Das Musikinstrumentenmuseum kam gerade einmal auf rund 42.600 Besuche. Im Vergleich mit dem Louvre in Paris oder den Uffizien in Florenz ist da noch viel Luft nach oben.
Parzinger: Da setze ich auf die Reform. Die Museen sind künftig sehr viel selbstständiger. Sie sind nicht mehr abhängig von einer Generaldirektion und einer Verwaltung, die alles regelt. Und dann gibt es auch mehr Wettbewerb. Niemand wird erwarten, dass etwa die Sammlung Scharf-Gerstenberg in Charlottenburg (2023: 34.123 Besucher) Zahlen wie der Hamburger Bahnhof (367.203 Besucher) erbringt. Aber die Museen müssen trotzdem ein attraktives Programm machen. Im Moment haben wir eine Stelle für Social Media für 19 Museen. Das sagt doch schon alles. Die Häuser sind völlig unterfinanziert. Wenn die Museen aber personell und finanziell besser ausgestattet sind, ein weiteres Hauptanliegen der Reform, wenn wir die Talsohle der Finanzierung in diesem Jahr durchschritten haben, dann wird auch ein attraktiveres Programm mit mehr Besuchenden möglich sein. Ich bin der Kulturstaatsministerin und ihrer Behörde sowie dem Bundesfinanzministerium sehr dankbar, dass wir für 2025 einen Zuwachs erwarten dürfen, das ist ein wichtiges Zeichen für die Reform.
epd: Was ist realistisch?
Parzinger: Das ist schwierig zu sagen. Vergessen Sie bitte nicht, wie viele unserer Museen Baustellen und deswegen geschlossen sind. Wenn einmal die gesamte Museumsinsel fertig ist, „berlin modern“ am Kulturforum steht und vieles mehr, dann können wir schon mit sieben oder acht Millionen Besuchern rechnen. Aber das wird noch dauern, beim Pergamonmuseum soll der erste Bauabschnitt 2027 fertig sein, das gesamte Gebäude 2037.
epd: Wie zeitgemäß sind eigentlich so große Museumsverbünde wie die SPK, die Klassik-Stiftung Weimar oder die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden?