Der nächtliche Karfreitags-Kreuzweg am Kolosseum ist ein feierlicher Höhepunkt der Karwoche. Menschen in aller Welt verfolgen ihn live. Erstmals hat Papst Franziskus den Text selbst geschrieben. Und der hat es in sich.
Erstmals hat Papst Franziskus die Gebete zum traditionellen Karfreitags-Kreuzweg am Kolosseum in Rom selbst geschrieben. Der Vatikan veröffentlichte die Gedanken des Papstes am Freitagmittag vorab.
Zu der Veranstaltung, bei der Christen an Leiden und Sterben Jesu in Jerusalem erinnern, werden für den späten Freitagabend Zehntausende Pilger am antiken Wahrzeichen Roms erwartet. Wegen der aktuellen Lage hatte das italienische Innenministerium strenge Sicherheitsvorkehrungen angeordnet.
In den Texten schlägt Franziskus einen Bogen vom Geschehen vor 2.000 Jahren ins Heute und spricht seine Zuhörer unmittelbar im Gebet an. Zu den Kriegen der Gegenwart schreibt er: “Bleibt mein Herz angesichts der Tragödien in der Welt steinhart oder lässt es sich erweichen? Wie reagiere ich auf den Wahnsinn des Krieges, auf Kindergesichter, die nicht mehr lächeln können, auf Mütter, die sie unterernährt und hungrig sehen und keine Tränen mehr haben, die sie vergießen könnten? (…) Gib mir die Gnade, beim Beten zu weinen und beim Weinen zu beten.”
Ferner erinnert der Papst daran, dass Schmähungen, wie sie Jesus damals erlitt, heute auch über soziale Netzwerke verbreitet werden. In dem Text heißt es dazu: “Sie verurteilen dich und begegnen dir mit Schmähung und Verachtung. Das geschieht auch heute, Herr, und dazu (…) genügt eine Tastatur, um zu beleidigen und Urteile kundzutun.”
Besonders unterstreicht der Papst den Wert der Frauen und erklärt: “Es sind die Frauen, denen du Hoffnung geschenkt hast. Sie haben keine Stimme, aber sie verschaffen sich Gehör. Hilf uns, die Größe der Frauen zu erkennen, derjenigen, die dir an Ostern treu und nahe waren, die aber auch heute noch ausgegrenzt werden und Schmähungen und Gewalt erleiden.”
An anderer Stelle ruft der Papst zu Solidarität mit Erniedrigten und Ausgebeuteten auf und formuliert: “Lass mich dich in den Leidenden erkennen und die Leidenden in dir, denn du bist gegenwärtig in denen, die ihrer Würde beraubt sind, in denen, die dir gleich, aus Überheblichkeit und Ungerechtigkeit gedemütigt werden, durch unfaire Gewinne, die in allgemeiner Gleichgültigkeit auf.”
Mit Nachdruck wendet sich er Papst gegen eine bloß innerliche Frömmigkeit ohne Hilfe für die Armen. So heißt es in dem Text: “Du willst kein steriles Gebet, (…) denn Reden ist einfach, aber liebe ich dich dann auch wirklich in den Armen, die dein verwundetes Fleisch sind? Bete ich für diejenigen, die ihrer Würde beraubt sind? Oder bete ich nur, um meine Bedürfnisse zu decken und mich in Sicherheit zu hüllen?”
Weiter schreibt Franziskus: “Jesus, lass mich dich erkennen und lieben in den ungeborenen und verlassenen Kindern, (…) in den vielen jungen Menschen, die darauf warten, dass jemand ihren Schmerzensschrei hört, (…) in den vielen verlassenen alten Menschen, (…) in den Gefangenen und Einsamen, (…) in den ausgebeuteten und vergessenen Völkern (…).”
Wenig später bittet er darum: “Von dem Glauben, ich bräuchte anderen nicht zu helfen befreie mich! Von einem Kult der Anständigkeit und der Äußerlichkeit befreie mich! Vom Glauben, dass alles in Ordnung ist, wenn es mir gut geht, befreie mich!”
Schließlich ruft der Papst zum Gebet für die verfolgten Christen und für die Einheit der Kirche auf. Wörtlich heißt es: “Halte die Gläubigen in der Gemeinschaft zusammen, hilf uns, geschwisterlich und geduldig zu sein, zusammenzuarbeiten und miteinander unterwegs zu sein; bewahre die Kirche und die Welt im Frieden.”
In früheren Jahren hatten verschiedene Autoren die Kreuzwegs-Meditationen verfasst. Der letzte Papst, der eigenhändig eine Kreuzwegandacht verfasste, war Johannes Paul II. im Jahr 2000. Vor dem Kreuzweg steht am Nachmittag die Karfreitagsliturgie mit dem Papst im Petersdom auf dem Programm.