Wie ist Papst Leo XIV. in wenigen Tagen zum Social-Media-Star geworden? Medien-Experten erklären, warum seine Bilder kein Zufall sind und was in Zukunft von ihm zu erwarten ist.
“Das war perfekt”, findet Historiker René Schlott. Er lässt das Konklave und die ersten Auftritte von Papst Leo XIV. Revue passieren. Schlott hat zur medialen Inszenierung des Papsttums geforscht. Der erste öffentliche Auftritt des neuen Papstes wirkte auf ihn unwirklich. “Das war fast wie im Film”, sagt Schlott der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Der Vatikan verstehe es, mit der Inszenierung der Papstwahl weltweit immense Aufmerksamkeit zu erzeugen – obwohl Kirche und Religion im Westen an Bedeutung verlieren.
Besonders beeindruckt hat Schlott, wie sich der erste US-Amerikaner auf dem Stuhle Petri präsentiert hat: “selbstsicher, telegen und souverän”. Leo sei sich der medialen Aufmerksamkeit offensichtlich sehr bewusst. “Er schafft es aus dem Stand, das Papstamt auszufüllen und die obligatorischen Bilder zu liefern.”
Das zeigt sich für Schlott auch in der Auswahl von Gewändern und Accessoires. Beim ersten Auftritt nach der Wahl – ein besonders symbolträchtiger Moment – trug Leo ein goldenes Kreuz, später, auf dem Weg zu seiner Wohnung, ein silbernes. “So etwas passiert nicht zufällig.” Mit der Wahl traditioneller und schlichter Kleidung habe Leo Kontinuität zu Vorgängern angedeutet und zugleich klargemacht: “Ich bin keine Kopie von Franziskus, aber auch keine von Benedikt.” Damit sende er optische Signale in unterschiedliche kirchenpolitische Richtungen. Schlott zeigt sich überzeugt: “Leo weiß das Bildprogramm des Papsttums schon in den ersten Tagen komplett auszureizen.”
Ein weiteres Indiz für Leos Gespür medialer Wirkung sieht Schlott in seiner Namenswahl. “Leo war der bestmögliche Name.” Hätte Robert Francis Prevost den Namen eines direkten Vorgängers gewählt, wäre das entweder anmaßend oder problematisch gewesen. Seine Entscheidung erinnere an Leo XIII., der die Kirche für die soziale Frage öffnete – Leo XIV. könne nun derjenige sein, der sich Digitalisierung und Medien widme.
Leo XIII. war der erste Papst, von dem Film- und Tonaufnahmen existieren. Obwohl im Vatikan traditionell eine gewisse Medien- und Presseskepsis herrscht, ist der Pontifex seit 2012 unter Benedikt XVI. auch auf Twitter aktiv. Unter Franziskus kam 2016 Instagram hinzu. Diese Kanäle nutzt nun auch Leo XIV.
Über diese Plattformen verbreitet der vatikanische Medienapparat Auszüge aus Ansprachen, Predigten und Lehrschreiben. Die Soziologin und Moraltheologin Christina Behler hat das Twitter-Verhalten von Papst Franziskus untersucht. Sie sagt der KNA: “Die digitale Kommunikation ermöglicht es der Kirche, zeit- und ortsunabhängig Botschaften zu verkünden.” So erreiche der Vatikan ein deutlich größeres Publikum als mit herkömmlichen Verkündigungsformen. “Social Media löst das kirchliche Problem schwindender Reichweite ganz gut.”
Über mangelnde Reichweite kann sich Leo nicht beklagen. Auf seinen neun Twitteraccounts folgen ihm schon mehr als 52 Millionen Nutzer. Auf Instagram hat er nach wenigen Tagen seinen Vorgänger übertroffen – über zwölf Millionen Follower zählt der neue Papst dort bereits. Franziskus hatte nach neun Jahren rund 10,5 Millionen erreicht.
Das Kommunikationsverhalten des Papstes folge dabei der Logik kirchlicher Verkündigung. “Der Papst sendet Botschaften. Er lehrt, rechtfertigt sich aber nicht und tritt nicht in den offenen Diskurs”, sagt Behler. “Das liegt in der Systemlogik der katholischen Kirche.”
Dabei bewege sich der Papst in einem demokratischen Kommunikationsraum, der – anders als eine Predigt – direkte Reaktionen ermögliche und provoziere. Behler hat diese Reaktionen untersucht. Ergebnis: Viele Antworten und Kommentare kommen auch von kirchen- und religionsfernen Menschen. Das sei ein Reichweitengewinn für die Kirche. Eine wichtige Rolle spiele dabei die mediengerechte Inszenierung der Inhalte. “Der Papst kann als Marke verstanden werden, die unabhängig vom aktuellen Amtsinhaber funktioniert”, sagte Behler. Deshalb laute der offizielle Social-Media-Name immer “Pontifex” – nicht “Leo XIV.”.
Was ist von Leo künftig zu erwarten? Seit Beginn der päpstlichen Twitteraktivitäten wurde kein spezieller Social-Media-Content vom Papst produziert, sondern es wurden vor allem bestehende, schriftliche Inhalte aus Ansprachen und anderen Texten verwertet. Behler ist skeptisch, ob der neue Papst davon abweichen wird. Bisher sieht sie keine großen Unterschiede zwischen Papst Leo XIV. und seinen Vorgängern auf Social Media – weder in Form noch Inhalt. Zwar bringe Leo mehr praktisches Wissen zu Social Media mit – immerhin hatte er einen eigenen Facebook- und Twitteraccount -, doch als Papst sei er keine Privatperson mehr. Einen eigenen Stil traut sie ihm aber trotzdem zu.