Aufsässige Mönche, ruchlose Piraten, geldgierige Kaufleute und machthungrige Häuptlinge sind die Protagonisten in einem historischen Krimi, der vor der Kulisse des mittelalterlichen Klosters im ostfriesischen Ihlow spielt. „Bruder Enno und die Hand des Störtebeker“ heißt er.
Er stammt von der Autorin Maike Salhofen. Die gebürtige Hannoveranerin, die in Aurich aufgewachsen ist, begibt sich darin auf einen furiosen literarischen Ritt durch ein spannendes Stück ostfriesischer Zeitgeschichte.
Verrat, Piraten und ein pfiffiger Mönch
Die Handlung ist im ausgehenden 14. Jahrhundert angesiedelt. In Ostfriesland hatten damals Häuptlingsfamilien das Sagen. Eine davon war das Geschlecht der tom Brok, das seinen Einflussbereich vom heutigen Brookmerland und Norden nach Aurich ausdehnte, jedoch seine Widersacher nie komplett ausschalten konnte.
Auch die Kirche mischte bei den damaligen Auseinandersetzungen fleißig mit. Ostfriesland fiel in den Zuständigkeitsbereich der Erzbistümer von Münster und Bremen. Die Grenzlinie zwischen beiden verlief mitten durch das Auricherland, dessen bedeutendstes Kloster seinerzeit das in Ihlow war.
Ocko I. tom Brok erklärte sich 1378 zum Schutzherrn des Klosters. Doch als er dem Grafen von Holland Treue schwor und ihn als Lehnsherr anerkannte, fühlten sich viele Ostfriesen verraten. Dies führte schließlich zu Ockos Ermordung nahe seiner Auricher Burg. Sein leiblicher Erbe war minderjährig, weshalb sein unehelicher Sohn Widzeld und seine Witwe Foelke Kampana die Regierungsgeschäfte übernahmen. Gleichzeitig machten die Vitalienbrüder die Ost- und Nordsee unsicher, indem sie regelmäßig Handelsschiffe überfielen.
Legendäre Gestalten treten auf
Maike Salhofen verknüpft all diese überlieferten Fakten und historisch belegten realen Personen mit fiktiven Geschehnissen und Figuren. Ihr Held Enno ist ein pfiffiger Mönch, der als Jurist in sein Mutterkloster nach Ihlow zurückkehrt und sich dort bald mit einem grausamen Mord konfrontiert sieht. Dabei begegnet er unter anderem dem berüchtigten Piraten Klaus Störtebeker. Auch Foelke Kampana, die wegen ihrer angeblichen Skrupellosigkeit bis heute im Volksmund Quade (Böse) Foelke genannt wird, tritt auf.
„Bruder Enno und die Hand des Störtebeker“ liefert ein fundiert recherchiertes und lebendiges Porträt der damaligen Gesellschaft. Die Autorin schildert den Alltag der Menschen, erzählt von Pesthäusern, dem Schicksal alleinerziehender Mütter und taucht tief in die tragischen Biografien hinter den Piraten ein.
Der Roman liest sich daher selbst ohne entsprechendes geschichtliches Hintergrundwissen spannend und unterhaltsam. Insofern ist er auch keineswegs nur für historisch interessierte Menschen zu empfehlen.
Das Kloster immer im Hinterkopf: Fragen an die Autorin
Das Kloster immer im HinterkopfMaike Salhofen ist zwar in Hannover geboren, aber in Ostfriesland aufgewachsen und mit der Landschaft dort immer noch verbunden. Inzwischen lebt sie in der Nähe von Gießen und unterrichtet dort an einem Gymnasium.
Wie sind Sie auf das Thema für Ihren Roman gekommen?
Maike Salhofen: Ich hatte das Kloster in Ihlow schon während meiner Schulzeit mit meiner Klasse besucht, als dort gerade von Archäologen die Grabstätte freigelegt wurde. Das war ein beeindruckendes Bild, das mich durch mein gesamtes Geschichtsstudium begleitet und bis heute nicht losgelassen hat. Das Kloster war immer in meinem Hinterkopf.
Was fasziniert Sie an diesem Ort?
Das Kloster in Ihlow gehörte seiner Zeit zu den größten im gesamten Nordseeraum. Klöster waren damals hochmoderne Produktionsstätten. Das hat gewisse Begehrlichkeiten geweckt, einerseits bei weltlichen Machthabern wie den ostfriesischen Häuptlingsfamilien, andererseits aber auch bei den Kaufleuten des aufkommenden Geldbürgertums.
Was wollten die Piraten damals in Ostfriesland?
Die waren zunächst vorrangig in der Ostsee aktiv. Als sie von dort vertrieben wurden und mit ihren flachen Schiffen in den engen Prielen entlang der ostfriesischen Küste Zuflucht fanden, kamen die großen Kriegsschiffe der Hanse erst einmal nicht hinterher.
Was gibt es – ohne allzu viel vorwegzunehmen – zum Mordfall und zum Ermittler in Ihrem Roman zu sagen?
Enno ist ein Mönch, der in Paris Jura studiert hat und in sein Heimatkloster nach Ihlow zurückkehrt. Dort ist sein Onkel Abt. Mit dem hat er noch eine alte Rechnung offen. Als man den Mord entdeckt, wird Enno wegen seiner Qualifikation als Rechtsgelehrter als „Investigator“ eingesetzt.
Wie lange haben Sie an dem Roman geschrieben?
Das hat sich über einen Zeitraum von ungefähr drei Jahren hingezogen, wobei mindestens ein Jahr für die Recherche draufgegangen ist. Erst wenn ich genug Material unter den Füßen habe, fängt meine Fantasie so richtig an zu laufen, weil mir die Fakten meine Ideen liefern.
Maike Salhofen ist Mitte Juli mit „Bruder Enno und die Hand des Störtebeker“ auf Lesereise in Ostfriesland. Termine und weitere Informationen beim emons-Verlag