Die Kirchen in der Ukraine spielen eine bedeutende Rolle im andauernden Krieg. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) erläutert die Hintergründe.
55 Prozent der ukrainischen Erwachsenen bekennen sich einer Umfrage zufolge zum orthodoxen Christentum. Sie gehören allerdings nicht einer Kirche an, sondern hauptsächlich zwei konkurrierenden Konfessionen: der Ukrainischen Orthodoxen Kirche (UOK) und der autokephalen (eigenständigen) Orthodoxen Kirche der Ukraine (OKU). Glaubensfragen trennen die beiden Konfessionen nicht. Sie unterscheidet stattdessen vor allem ihr Verhältnis zu den orthodoxen Patriarchaten von Moskau und Konstantinopel sowie zur Regierung.
Die OKU wurde im Dezember 2018 mit Hilfe des Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, Bartholomaios I., und der Staatsführung gegründet. Nach dem 2014 begonnenen russischen Krieg in der Ostukraine war der Ruf nach einer von Moskau unabhängigen orthodoxen Kirche lauter geworden. Hervorgegangen ist sie aus dem Kiewer Patriarchat, das 1992 in Abgrenzung zu Moskau entstanden war, und aus der in den 1920er Jahren ins Leben gerufenen Ukrainischen Autokephalen Orthodoxen Kirche. Bartholomaios I. hatte auch die Bischöfe der UOK zum Gründungskonzil in die Kiewer Sophienkathedrale eingeladen. Aber nur zwei schlossen sich der neuen Kirche an.
Der Patriarch von Konstantinopel verlieh der OKU Anfang Januar 2019 die Autokephalie, den höchstmöglichen Kirchenstatus, der sie mit mehr als ein Dutzend anderen orthodoxen Landeskirchen in der Welt gleichstellt. Oberhaupt der patriotisch gesinnten OKU ist Metropolit Epiphanius (46). Die Regierung und Kommunen unterstützen diese Kirche und versuchen, die UOK zurückzudrängen. Sie werfen ihr Kremlnähe und Treue zum russisch-orthodoxen Patriarchen Kyrill I. vor, der Moskaus Angriffskrieg gegen die Ukraine gutheißt. Das weist die UOK entschieden zurück und untermauert dies mit ihren Spenden für die ukrainische Armee im Verteidigungskampf gegen Russland.
Traditionell gehörte die UOK zum Moskauer Patriarchat, genoss jedoch eine weitreichende Autonomie. Erst Ende Mai 2022, drei Monate nachdem die russische Armee die ganze Ukraine angegriffen hatte, erklärte sie sich für völlig unabhängig von Moskau, aber nicht für autokephal. Unter anderem deswegen rechnen sie Gegner weiter Moskau zu. Weil die UOK nicht ganz mit der russischen Kirche gebrochen habe, betreibt die zuständige Religionsbehörde ein Verbotsverfahren gegen deren zentrales Leitungsorgan, die Metropolie von Kiew.
Gerichte verurteilten nach Behördenangaben bislang rund 40 Geistliche dieser Kirche wegen Landesverrats, Spionage für Russland oder Anstiftung zu Feindseligkeiten. Präsident Wolodymyr Selenskyj entzog überdies dem Oberhaupt der UOK, Metropolit Onufrij (81), die ukrainische Staatsbürgerschaft. Der in der Westukraine geborene Geistliche soll 2002 die russische Staatsbürgerschaft angenommen und dies gegenüber ukrainischen Behörden verheimlicht haben, lautete die Begründung. Der UOK wurden schon viele Gotteshäuser weggenommen, darunter ein Teil des berühmten Höhlenklosters in Kiew.
Das Moskauer Patriarchat betrachtet die Ukraine als sein Stammland und lehnt ihre kirchliche Unabhängigkeit ab. Auch andere orthodoxe Landeskirchen haben die OKU bislang nicht offiziell anerkannt. Die russisch-orthodoxe Kirche brach im Oktober 2018 wegen des Streits um die Ukraine sogar ihre Kontakte zum Patriarchat von Konstantinopel ab und beendete einseitig die eucharistische Gemeinschaft mit diesem. Die UOK folgte ihr in dieser Frage.