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Ohne Glaube geht‘s nicht

Ein Pfarrer, der kein Kirchenmitglied ist? Das geht natürlich nicht. Doch wie steht es etwa um eine Friedhofsmitarbeiterin oder einen Pfarramtssekretär? In der vergangenen Woche entschied der Europäische Gerichtshof: Wenn kirchliche Arbeitgeber von Stellenbewerbern die Kirchenmitgliedschaft verlangen, müssen sie eine gerichtliche Prüfung in Kauf nehmen. Wie und worauf wirkt sich das aus? Wann darf die Religionszugehörigkeit vorausgesetzt werden? Ein Titelkommentar von Jörg Antoine, Konsistorialpräsident der EKBO.

Wenn kirchliche Arbeitgeber von Stellenbewerbern die Kirchenmitgliedschaft verlangen, müssen sie eine gerichtlicheÜberprüfung in Kauf nehmen. Das entschied der Europäische Gerichtshof (EuGH) am 17. April in Luxemburg zu einem Fall aus Deutschland. Wie wirkt sich das aus und warum ist es nötig, dass Mitarbeitende in der Kirche sind?

Von Jörg Antoine

Müssen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die in der Kirche arbeiten, selbst Mitglied dieser Kirche sein? Die evangelische Kirche hat das bislang so beantwortet: Grundsätzlich wird die Mitgliedschaft in der Evangelische Kirche verlangt. Ausnahmen kann es geben, wenn es nicht um Verkündigung, Seelsorge und evangelische Bildung geht. Wer aber in der Leitung tätig ist, der muss zumindest Mitglied einer christlichen Kirche sein. Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat letzte Woche auf Vorlage des Bundesarbeitsgerichts grundsätzliche Ausführungen zu diesen Anforderungen der Kirche gemacht. Dabei erkennt der EuGH das Recht der Kirchen an, auf die Religion bezogene berufliche Anforderungen zu stellen, wenn diese mit dem „Ethos“ der Religionsgemeinschaft zusammenhängen. Damit erkennt das Gericht das im Grundgesetz in Artikel 140 Grundgesetz in Verbindung mit Artikel 137 Absatz 3 Weimarer Reichsverfassung verankerte kirchliche Selbstbestimmungsrecht zunächst einmal an. Die Kirche hat ein berechtigtes Interesse daran, dass Mitarbeitende, die in ihrem Auftrag unterwegs sind, sich mit diesem auch identifizieren. Von einer Pfarrerin, einem Religionslehrer, einer Gefängnisseelsorgerin oder einem Leiter eines kirchlichen Friedhofs wird erwartet, dass er auch in der Kirche ist. Nur dürfen die beruflichen Anforderungen nicht aus sachfremden Erwägungen erfolgen oder unverhältnismäßig sein, so der EuGH in seiner Begründung.

Der EuGH betont auch, dass es gegen unzulässige Diskriminierungen gerichtlichen Schutz geben müsse. Dem wird kirchlicherseits natürlich zugestimmt. Die Gerichte müssen nach dem Urteil des EuGH prüfen, ob die beruflichen Anforderungen „objektiv“ gegeben seien.Dies sei dann gegeben, wenn objektiv ein unmittelbarer Zusammenhang der Arbeitsaufgaben zum „Ethos“ der Kirche und somit zum kirchlichen Auftrag gegeben ist. Nach einem Beispiel des Urteils sei dies dann der Fall, wenn kirchliche Positionen nach außen vertreten werden müssen.

Aber was ist in Bezug auf die Kirche und ihren Glauben objektiv? Die keiner Kirche angehörende Klägerin hatte sich beim Bundesverband der Diakonie auf die Stelle einer Referentin zur Anti-Rassis – mus-Konvention der UN beworben. Für die Kirche ist es auch an dieser Stelle wichtig, dass ihre Referenten ein Verständnis für die Kirche und die Religionsfreiheit aus persönlicher Identifikation heraus mitbringen – sowohl nach ihrer individuellen wie nach ihrer kollektiven Ausprägung als Glaubensgemeinschaft.

Es wird in der nunmehr anstehenden Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts in diesem Fall und der Arbeitsgerichtsrechtsprechung in den voraussichtlich anstehenden weiteren Streitfällen sehr darauf ankommen, welchen Stellenwert die Gerichte der persönlichen Glaubensfreiheit einerseits und dem kirchlichen Selbstverständnis (ihrem „Ethos“) andererseits einräumen werden. Die Kirche will und soll als Kirche doch nicht nur über ihre Leitungspersonen wahrgenommen werden. Die Küsterin, der Pfarramtssekretär, die Friedhofsmitarbeiterin, der Organist, die Erzieherin – sie alle stehen für die Kirche.

Einen Autohändler muss es nicht interessieren, ob seine Mit – arbeiter in der Kirche sind. Es ist richtig, wenn ein Autohändler Mitarbeitende nicht wegen ihrer Religion bevorzugen oder benachteiligen darf. Eine Kirche kann aber gar nicht bestehen, wenn ihre Mitarbeiter selbst mit der Kirche nichts oder wenig anfangen können. Neben der individuellen Glaubensfreiheit der Einzelperson gibt es im Grund – gesetz auch die gemeinschaftlich (kollektiv) ausgeübte Glaubensfreiheit als Religionsgemeinschaft oder Kirche. Auch diese hat das Recht auf eine eigene Identität und muss nicht Personen beschäftigen, die keinen Bezug zur Kirche haben.

Der Gleichschaltung der Gesellschaft in der NS-Zeit und der Unterwanderung der Kirche als einzige institutionelle Opposition in der DDR wäre die Beschäftigung kirchenfremder Personen ein willkommenes Instrument gewesen. Gerade in einem zunehmend säkularen Umfeld wird eine freiheitliche Gesellschaft im Interesse der Pluralität der Gesellschaft Religions – gemein schaft en die bevorzugte Einstellung von mit ihrem Glauben verbundenen Personen zubilligen können und müssen.

Richtig ist aber auch, dass die Kirche dabei nicht willkürlich handeln darf. Ihr Handeln muss sich nach verständlichen und transparenten Grundsätzen ausrichten. Dem dient die 2016 überarbeitete Richtlinie des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) über kirchliche Anforderungen der beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie, die unsere Landeskirche im vergangenen Herbst auf die Verhältnisse der EKBO hin konkretisiert hat. Diese Vorschriften haben die eingangs beschriebenen Grundsätze und sind öffentlich. An ihnen muss sich die Kirche bei den kommenden gerichtlichen Klärungen messen lassen.