Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern hat einen neuen Vorsitzenden. Mit einem etwas anderen Profil als seine beiden Vorgänger. Nicht nur, weil er aus Franken kommt.
Laut amtlicher Statistik leben in Bayern 5,5 Millionen Katholiken. Trotz Überalterung und hohen Austrittszahlen sind das immer noch sehr viele Menschen, mehr als 40 Prozent der Gesamtbevölkerung. Am Samstag haben sie einen neuen obersten Repräsentanten erhalten: den Nürnberger Volkswirt Christian Gärtner (58).
Das Landeskomitee der Katholiken in Bayern brauchte nach acht Jahren einen neuen Vorsitzenden, weil Joachim Unterländer (67) aus freien Stücken nicht mehr zu einer dritten Amtszeit antrat. Bei ihrer Frühjahrsvollversammlung in Passau hatten die Delegierten keine Mühe bei der Wahl, denn es gab nur einen Kandidaten. Er erhielt 65 von 67 Stimmen.
Schaut man, was den Neuen von Unterländer und dessen Vorgänger Albert Schmid unterscheidet, stechen zwei Dinge ins Auge: Gärtner hat kein Parteibuch. Auf einen konservativen Sozialdemokraten und einen liberalen CSU-Mann, zwei Altbayern, folgt ein parteipolitisch ungebundener Franke. Und: Als Kundenmanager bei der Gesellschaft für Konsumforschung steht er noch voll im Berufsleben.
Im Gespräch räumt Gärtner ein, dass er nicht über dieselben intensiven Kontakte zu politischen Verantwortungsträgern verfügt wie seine beiden Vorderleute, die er schätzt. Aber er lässt keinen Zweifel daran, dass auch unter seiner Führung das Landeskomitee sich in gesellschaftspolitischen Debatten weiter stark engagieren werde: vom Lebensschutz über Suizidbeihilfe bis zu Ladenöffnungszeiten.
Die Kirche müsse sich ganz allgemein für Zusammenhalt stark machen, findet der neue Vorsitzende: Sie solle “Anwalt sein für die, die nicht für sich selbst sprechen können”, “Stimme des sozialen Gewissens und auch des pazifistischen Gewissens” sein.
Der dreifache Familienvater hat eine klassische katholische Ehrenamtskarriere durchlaufen: Pfarrgemeinderat, Dekanatsrat, Diözesanrat, Verbandsjugend. Irgendwann war er überall Vorsitzender. Im Landeskomitee arbeitet er seit 2006 mit, im Zentralkomitee der deutschen Katholiken ist er auch schon länger dabei.
Alle Reformdialoge der jüngeren Vergangenheit hat er mitgemacht, auch den Synodalen Weg, wo er zu den Verfechtern der Mehrheitsposition zählt: mehr Entscheidungsbefugnisse für nichtgeweihte Katholiken auf allen Ebenen, insbesondere für Frauen.
Als langjähriger Vorsitzender des Eichstätter Diözesanrats befindet sich Gärtner in einer spannenden Konstellation: Sein Gegenüber, Bischof Gregor Maria Hanke, zählt bei den meisten kirchlichen Reformfragen zur konservativen oppositionellen Minderheit. Wie kommen die beiden miteinander aus?
Was man so hört, ergibt ein klares Bild: Man respektiert, ja schätzt einander und sagt sich auch regelmäßig klar die Meinung. Es scheint sich um eine recht belastbare, aber insgesamt stabile Beziehung zu handeln.
Beide stehen gehörig unter Erwartungsdruck. Denn sie wollen in ihrem Heimatbistum schaffen, was auf Bundesebene nicht gelingt: ein gemeinsames Modell entwickeln für mehr Synodalität, also mehr Mitsprache und Mitverantwortung. Die Zeit drängt, aber bisher sind Konturen für diesen “Eichstätter Weg” noch kaum zu erkennen.
Zuletzt wurde die Geduld des Marketingspezialisten mit seiner Bistumsleitung erneut strapaziert. Durch die Ankündigung, die Jugendstellen und Dekanatsbüros in der Diözese Eichstätt zu schließen, sah sich der Diözesanrat vor vollendete Tatsachen gestellt. Nicht zum ersten Mal.
Im März 2023 hatte die Bistumsleitung verkündet, man wolle sich von allen fünf katholischen Schulen trennen, um Geld zu sparen. Daraufhin gab es große Aufregung. 15 Monate und etliche Konfliktgespräche später hieß es dann, vier der Einrichtungen würden nun doch weitergeführt.
Als einziger ehrenamtlicher Funktionär hat der Nürnberger seit einigen Jahren Sitz und Stimme in dem Gremium, das über die Finanzierung von Gemeinschaftsaufgaben durch die sieben bayerischen Bistümer entscheidet. Von dort sind ihm Verteilungskämpfe um knapper werdende Mittel auch auf Landesebene vertraut.
In Passau ließ Gärtner durch eine Bemerkung unmittelbar vor seiner Wahl aufhorchen: Er stelle infrage, ob das gerecht und gut sei, dass die Kirchensteuereinnahmen vollständig bei den Bistümern zusammenliefen. Denn dadurch würden alle engagierten Katholiken gleichsam zu deren “Kostgängern”.