Zum Auftakt des zweiten Sitzungstages der Landessynode der evangelischen Nordkirche hat Tilman Jeremias, Bischof im Sprengel Mecklenburg und Pommern, den Kirchenparlamentariern seinen Sprengelbericht vorgestellt. Unter dem Titel „verletzliche Kirche“ forderte Jeremias darin Reformbereitschaft für eine Neuausrichtung der Kirche, die nur gemeinsam entstehen könne.
„Wir müssen von unserem hohen Ross heruntersteigen.“ Eine „verletzliche Kirche“ sei eine, die ehrlich in ihrer Rückschau ist, erklärte Jeremias. „Sie wendet sich zu den Menschen in Leid und Not.“
Für den Bischof stehe fest: „Spätestens seit ForuM wissen wir, dass wir auch eine ‘verletzende Kirche’ sind.“ Die Kirche habe als Ganzes versagt, wenngleich Einzelne die Täter sind. „Wir haben Betroffenen keinen Glauben geschenkt. Wir haben Täter geschützt.“ Es sei gut, dass es all das jetzt schwarz auf weiß gebe, betonte Jeremias.
„Ich bin froh, dass wir jetzt von den Zahlen und der Debatte um Akten weg sind.“ Der Schwerpunkt müsse jetzt die inhaltliche Debatte sein, für die Jeremias sieben Punkte definiert. Einer davon sei die Frage von Schuld und Vergebung. „Wir geben vor, Fachleute für Schuld und Vergebung zu sein. Aber wir sind massiv schuldig geworden und wir können uns nicht selbst entschulden. Wir können nur Verantwortung übernehmen. Wir müssen als Kirche lernen, mit unserer Schuld zu leben“, erklärte der Bischof.
Außerdem müsse über das Bild der „idealen Gemeinschaft“ gesprochen werden, das für Jeremias ein „Selbstbetrug“ ist. Ebenso müsse die pastorale Macht hinterfragt werden, Kirche müsse sich eingestehen, dass sie als Täterorganisation keine Seelsorge für Betroffene leisten könne. Der Bischof forderte zudem eine Veränderung der Struktur, denn die jetzige sei für Aufarbeitung und Prävention nicht förderlich. Des Weiteren brauche es eine Diskussion um die christliche Männlichkeit.
Mit Blick auf die „verletzliche Kirche“ nannte Jeremias drei gelebte Beispiele aus dem Sprengel Mecklenburg und Pommern: ein Gesprächsforum für den Austausch über die Folgen und die unterschiedlichen Positionen zur Corona-Pandemie. Der „Leib und Seele“-Wagen trete in Kontakt mit Menschen, die sonst keinen Kontakt zur Kirche suchen.
Im Tagesverlauf stimmen die Synodalen über den ersten Doppelhaushalt, also Zweijahreshaushalt, der Nordkirche ab. Zudem stehen weitere Berichte auf der Tagesordnung. Der Beschluss zu einem „Kirchengesetz über die Widmung und Entwidmung von Kirchen“ entfällt.
Die Landessynode ist das Kirchenparlament und damit das höchste Leitungsgremium der Nordkirche und ihrer rund 1,8 Millionen Mitglieder. Die 156 Synodalen repräsentieren die verschiedenen Ebenen der Nordkirche, also Kirchenkreise sowie Dienste und Werke.