35 Jahre nach der deutschen Wiedervereinigung stellt eine Arbeitsgruppe Empfehlungen zur Aufarbeitung der DDR-Geschichte in den evangelischen Kirchen vor. In Schwerin diskutierten dazu am Mittwoch Pastor i. R. und Außenminister a. D. Markus Meckel (SPD) und Landesbischöfin Kristina Kühnbaum-Schmidt mit weiteren Expertinnen und Experten, wie die evangelische Nordkirche am Mittwoch mitteilte. An der Veranstaltung „Gemeinsame Vergangenheit – Geteilte Verantwortung – 35 Jahre nach der Einheit: Wie die evangelische Kirche ihre DDR-Geschichte aufarbeitet“ nahmen den Angaben zufolge mehr als 100 Menschen teil.
Im Mittelpunkt der Diskussion stand das Positionspapier „35 Jahre Deutsche Einheit – Empfehlungen zur Aufarbeitung in den evangelischen Kirchen Deutschlands“. Kühnbaum-Schmidt sagte, sie halte das Papier „für einen Meilenstein“. Es mache klar: „Die Erfahrungen aus der DDR-Zeit sind kein Sonderfall einzelner ostdeutscher Landeskirchen, sondern Teil der gemeinsamen Geschichte aller evangelischen Kirchen in Deutschland. Deshalb ist es wichtig, dass wir gemeinsam hin- und nicht wegsehen.“
Bischof Tilman Jeremias, Vorsitzender der AG Aufarbeitung in der Nordkirche, erklärte, er sei dankbar, dass der Impuls zu einer gesamtdeutschen Aufarbeitung aus der Nordkirche, „einer Ost und West verbindenden Kirche“, komme. Er erinnerte an die tiefen Brüche in den Biografien vieler Ostdeutscher und verwies auf aktuelle Umfragen, nach denen noch immer 61 Prozent der Westdeutschen und 75 Prozent der Ostdeutschen das Trennende in der Wiedervereinigung überwiegen sähen.
Meckel kritisierte, die Jahre des geteilten Deutschlands kämen in vielen Rückblicken kaum vor. „Die deutsche Einheit wurde zwischen zwei demokratischen deutschen Staaten ausgehandelt. Sie ist ein Glücksfall der deutscher Geschichte und die Ostdeutschen waren Subjekt in diesem Prozess“, erklärte Meckel.
Pastor i. R. Eckart Hübener schilderte als Betroffener von SED-Unrecht, wie ihn sein Interesse an Demokratie und die Solidarność-Bewegung ins DDR-Gefängnis gebracht und wie kirchenleitende Personen ihm die Solidarität verweigert hätten. Er berichtete, wie versucht worden sei, ihn ohne sein Wissen und gegen seinen Willen in die BRD „zu verkaufen“. Mit diesen Worten beschrieb Hübner die damalige Praxis der sogenannten Häftlingsfreikäufe.
Kühnbaum-Schmidt sagte, sie wünsche sich, dass die evangelische Kirche Verantwortung übernehme und sehe, dass es auch innerhalb der Kirche zu Erfahrungen von Ungerechtigkeit und Schmerz gekommen sei. „Würdigen wir Lebensgeschichten als Zeugnisse von Leid, Mut und Erinnerung für unsere ganze deutsche Geschichte. Würdigen wir die Erfahrungen und Konzepte der Kirchen in der DDR als Kirchen in der Minderheit und erkunden gemeinsam neu deren Relevanz für heute“, appellierte die Landesbischöfin. Sie kündigte an, dass das Papier der Arbeitsgruppe auf der Landessynode der Nordkirche im November thematisiert werden soll.
„Wenn wir unsere gemeinsame Verantwortung als Kirchen in Ost und West wahrnehmen, können wir auch dazu beitragen, dass die Einheit von Ost und West in der ganzen Gesellschaft gelebt und erfahrbar wird“, erklärte Kühnbaum-Schmidt.