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Noch 100 Tage bis zum Katholikentag in Erfurt

Kriege, Demokratie, Rechtsruck und Wahlen – diese Themen werden wohl das fünftägige Christentreffen prägen. Und die Ost-West-Debatte sorgte schon vorab für Schlagzeilen. Das Friedens-Leitwort scheint passender denn je.

Am Montag (19.2.) sind es noch genau 100 Tage bis zum Start des Katholikentags in Erfurt. Rund 20.000 Gäste aus ganz Deutschland werden zu dem fünftägigen Christentreffen vom 29. Mai bis 2. Juni in der Thüringer Landeshauptstadt erwartet. Und schon jetzt zeichnet sich ab: Es könnte einer der politischsten Katholikentage seit Langem werden.

Davon gehen auch die Veranstalter aus. So prognostizierte der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Marc Frings: “Der Katholikentag in Erfurt wird mehr denn je durch aktuelle politische Diskussionen geprägt sein.” Letztere seien von großer Unsicherheit geprägt, aber auch von populistischen Parolen, Falschmeldungen und gegenseitiger Diffamierung. Dieser Entwicklung wolle der Katholikentag mit sachlichen Debatten deutlich etwas entgegensetzen. “Wir bieten Begegnungen auf Augenhöhe, mit klaren Positionen für Demokratie und Rechtsstaatlichkeit, für Menschlichkeit und Solidarität”, so Frings. Nicht zuletzt gehe es darum zu zeigen, wofür Christinnen und Christen stehen.

Der Katholikentag liegt zudem mitten im Superwahljahr. Am 26. Mai werden in Thüringen die Kommunalwahlen ein erster demokratischer Lackmustest sein. Eine Woche nach dem christlichen Großevent sind am 9. Juni die Europawahl und Kommunalwahlen in weiteren acht Bundesländern. Mit Sorge wird auch jetzt schon auf die Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg im September geblickt – in allen drei Bundesländern liegt die AfD bei Wahlumfragen nach wie vor deutlich vorn. Dass ihre Landesverbände in Sachsen und Thüringen vom Verfassungsschutz als gesichert rechtsextremistisch eingestuft werden, tut dem Zuspruch offenbar keinen Abbruch.

Auch die außenpolitische Lage mit dem seit zwei Jahren andauernden Krieg in der Ukraine und dem Nahost-Krieg werden zweifelsohne Thema beim Katholikentag sein. Friedensethische Debatten sind hierdurch vor neue Herausforderungen gestellt. Daneben ist seit dem brutalen Angriff der Terrororganisation Hamas auf Israel am 7. Oktober auch in Deutschland ein zunehmender Antisemitismus zu beobachten, der sich auch in einem deutlichen Anstieg entsprechender Straftaten niederschlägt.

Mit dem Erfurter Bischof Ulrich Neymeyr hat der kommende Katholikentag einen Gastgeber, der sich bei diesem Thema immer wieder zu Wort meldet und zum engagierten Einschreiten gegen jede Form von Antisemitismus aufruft. Dabei hat er auch Papst Franziskus an seiner Seite, der ebenfalls sagt: Man könne nicht Christ und zugleich Antisemit sein.

Neymeyr, der in der Deutschen Bischofskonferenz für die Beziehungen zum Judentum zuständig ist, warnte unlängst davor, dass in den Debatten über die aktuelle israelische Kriegsführung im Gaza-Streifen und deren Legitimität zu schnell vergessen werde, “was für ein grausames Massaker das war”. Er habe beinahe den Eindruck, “dass das für unsere Gesellschaft schon abgehakt ist, und das darf nicht passieren”.

Das genaue Programm des Katholikentags wird erst Anfang März veröffentlicht. Mit nur rund 500 Veranstaltungen ist es deutlich schlanker und trägt damit dem langjährigen Wunsch Rechnung, den Katholikentag straffer und profilierter zu gestalten. Klar ist bereits, dass das biblische Leitwort “Zukunft hat der Mensch des Friedens” aktueller und passender kaum sein könnte. Neymeyr ist dabei wichtig, dass sich mit dem Motto auch Menschen identifizieren können, die nicht an Gott glauben. Findet doch der Katholikentag in einem Bundesland statt, in dem nur noch gut ein Viertel der Bevölkerung Christen sind, der Anteil der Katholiken liegt bei gut sieben Prozent.

Nach Leipzig 2016 ist der alle zwei Jahre stattfindende Katholikentag nun erstmals wieder in Ostdeutschland zu Gast. Auch das hat inhaltliche Auswirkungen, die bereits zu Querelen führten. Im Streit über die Frage, ob ostdeutsche Perspektiven und Protagonisten ausreichend berücksichtigt werden, trat im vergangenen Dezember der Vorsitzende des Katholikentags-Trägervereins, Manfred Ruge, zurück.

Der 78-Jährige sah den Osten im Programm unterrepräsentiert: “Wir sitzen unten am Katzentisch. Unsere Geschichten dürfen wir nicht erzählen.” Bistum und ZdK hatten die Kritik entschieden zurückgewiesen. Ruges Nachfolger und Präsident der Rechtsanwaltskammer Thüringen, Jan Helge Kestel, versprach, die bisherige Kritik soweit möglich aufzunehmen und zu berücksichtigen.

Unterdessen sieht Bischof Neymeyr auch in der jüngst gestarteten Privatquartier-Kampagne eine große Chance für einen authentischen Ost-West-Austausch: “Es ist eine gute Möglichkeit, den Menschen, die kommen, zu erzählen, wie wir ticken.”