Artikel teilen:

Niemals Gewalt im Namen Gottes

Beim Internationalen Friedenstreffen der Gemeinschaft Sant‘Egidio kommen Vertreter verschiedener Religionsgemeinschaften zusammen. Bundeskanzlerin Merkel sprach zur Eröffnung

Friedrich Stark

MÜNSTER – Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die Weltreligionen zum Dialog aufgerufen. „Es ist nötig, die Welt mit den Augen des Anderen zu sehen, um ein gedeihliches Miteinander rund um den Globus zu ermöglichen“, betonte die Kanzlerin bei der Eröffnung des internationalen Friedenstreffens der Gemeinschaft Sant‘Egidio in Münster. „Es darf keine Rechtfertigung von Krieg und Gewalt im Namen der Religion geben.“ Deshalb seien die Religionsgemeinschaften aufgefordert, sich deutlich gegen Vereinnahmungen durch all die zu wehren, die die Menschenwürde mit Füßen träten. In der Entwicklungs- und Friedenspolitik seien sie unerlässliche Partner und unermüdliche Wegbereiter, so die Bundeskanzlerin.
Die europäischen Staaten forderte Merkel dazu auf, die Krisenländer der Erde nicht allein zu lassen. „Wir müssen uns noch stärker als Weltgemeinschaft begreifen und Globalisierung so gestalten, dass sie allen Staaten zugutekommt“, erklärte die Kanzlerin. Dazu gehöre, sich für friedliche Lösungen in der Ukraine, Korea, Syrien, dem Irak und Libyen einzusetzen und die afrikanischen Länder entwicklungspolitisch zu stärken. „Wir müssen die illegale Migration nach Europa eindämmen und sichere und legale Zugangswege für schutzbedürftige Personen schaffen“, unterstrich Merkel.
Der Bischof von Münster, Felix Genn, dankte der Kanzlerin ausdrücklich „für das Zeugnis, das Sie gerade in dem schwierigen Jahr 2015 gegeben haben“. Merkel sei damals angesichts des Flüchtlingszustroms aus Ungarn nicht von ihrer Überzeugung abgewichen, Menschen, die vor Terror, Krieg, Gewalt, Hunger und vielfältigen Notsituationen fliehen, eine Aufnahme zu bieten. „Es ist meine tiefe Überzeugung, dass Sie dafür tiefen Respekt verdienen“, fügte Genn hinzu. Der Gründer der katholischen Gemeinschaft Sant‘Egidio, Andrea Riccardi, würdigte in seiner Rede die Reformation vor 500 Jahren als „spirituelles Ereignis, das das Bewusstsein der Menschen bewegt und selbst die Gegner berührt hat und auch sie zu einer Erneuerung führte“. Er forderte angesichts der heutigen Konflikte und Ängste eine spirituelle Einigung der Welt. „Der maßlose Gigant der Globalisierung braucht eine Seele“, sagte der Gründer der Gemeinschaft, die auf der internationalen Bühne für ihre intensive Friedensarbeit  und ihren Einsatz für den Dialog zwischen den Weltreligionen bekannt ist. Die terroristischen Ideologien seien ein schrecklicher Mechanismus in den Händen von Gewalttätern, würden aber niemals siegen. Deshalb sei die Rolle der Religionen für das Denken der Menschen ganz entscheidend. „Für sie sind Gewalt und Krieg nicht heilig. Allein der Friede ist heilig“, mahnte Riccardi.
In einer Grußbotschaft erklärte Papst Franziskus, um Durchgänge des Friedens zu öffnen, brauche es demütigen Mut, beharrliche Ausdauer und das Gebet. „Wir Religionsoberhäupter müssen Menschen des Friedens sein und als Menschen leben, die bezeugen und daran erinnern, dass Gott den Krieg verabscheut und Gewalt niemals im Namen Gottes ausgeübt oder gerechtfertigt werden darf“, führte der Papst aus. „Die Religionen dürfen nichts anderes wollen als den Frieden, sie müssen wachsam sein und der Gleichgültigkeit entgegentreten.“
Das internationale Friedenstreffen von Sant‘Egidio stand in diesem Jahr unter dem Motto „Wege des Friedens“ und fand in Münster und Osnabrück, statt. Rund 5000 Teilnehmer, darunter namhafte Politiker und Vertreter von 40 Religionsgemeinschaften, befassten sich mit Fragen rund um die Zukunft Europas.