„Ich habe zu danken.“ Immer wieder hört man diesen Satz – in der Regel dann, wenn jemand zuerst gedankt hat. Und es stimmt, man hat jeden Tag für etwas zu danken. Auch in diesen Tagen, wo Hunderttausende Flüchtlinge eine neue Heimat suchen. Wir leben in Deutschland in einem sicheren Land, der Sozialstaat funk-tioniert, und niemand muss verhungern. Schon das ist ein Grund zu danken. Da hilft das Erntedankfest, genau dies wieder ins Bewusstsein zu holen: Für das zu danken, was einem nicht immer im Blick ist und irgendwie selbstverständlich ist.
Aus Dankbarkeit mit anderen teilen
Und so geht es gerade in städtischen Gebieten bei diesem Fest oft nicht allein um den Dank für die gute Ernte, sondern um einen weiteren Aspekt, der sonst vielleicht ein bisschen zu kurz kommt: Aus Dankbarkeit über das, was man hat, mit anderen teilen, die nichts oder weniger haben. Und so werden Gaben für Arme und Bedürftige gebracht, es wird für Entwicklungsarbeit gespendet und die Schöpfung in den Blick genommen. Alles das, weil wir Grund genug haben, dankbar zu sein.
Wer dankbar und sich dessen bewusst ist, hat viele positive Gefühle. Das ergeben neuere psychologische Studien. Sie zeigen, dass es gut ist, immer wieder an den Dank erinnert zu werden. Denn Dankbarkeit ist an sich nicht angeboren, sondern hat viel mit Erziehung und Kultur zu tun.
Besonders leicht lässt sich das an der Wursttheke im Supermarkt ablesen. Das kleine Kind, das eine Scheibe Wurst geschenkt bekommt, wird von den Eltern oftmals aufgefordert, sich zu bedanken. Und immer wieder hören Kinder, wenn sie etwas geschenkt bekommen, von einem Erwachsenen den Satz: „Wie sagt man? Danke!“ Danken zu lernen ist also gut und hilft, glücklich zu sein. Denn wer danken kann, weiß, dass nicht alles selbstverständlich ist. Dass es nicht normal ist, etwas geschenkt zu bekommen.
Dabei bekommt jeder an jedem Tag doch unendlich viel geschenkt. Nämlich genau das, was man selber nicht machen oder beeinflussen kann – erholsamen Schlaf oder das Lächeln des Nachbarn etwa. Manchmal vielleicht auch das Ticket für eine Fährfahrt oder eine Flasche Wein.
Ohne eigenes Zutun
So ein Geschenk muss gar keinen großen materiellen Wert haben, aber es macht zwei menschliche Seiten deutlich: Auf der einen Seite gibt jemand etwas von sich her. Einen Augenblick Aufmerksamkeit durch das Lächeln oder eben ganz konkret eine Flasche Wein. Bei einem echten Geschenk wird er dazu von niemandem gezwungen. Es erfolgt völlig frei und unabhängig. So ist eine solche Gabe immer auch ein Zeichen der Freiheit des Menschen.
Auf der anderen Seite zeigt die Dankbarkeit beim Empfänger, dass er offen für das ist, was ihm widerfährt. Wer danken kann, kann sich überraschen lassen vom Leben und das Gute in ihm entdecken. Der hat einen Blick für seine Umwelt und ist offen für sie. So jemand kann leicht mit seinen Mitmenschen in Beziehung treten und viele gute Erfahrungen machen.
Wer sich so überraschen lassen und danken kann, der ist frei. Denn wer von Herzen Danke sagen kann, der hat nicht das Gefühl, ewig in der Schuld des Schenkenden zu stehen. Und wer Danke sagen kann, steht dazu, dass er nicht alles selber hat und kann.
Deswegen ist es gut und tut es gut, immer wieder am Tag innezuhalten und zu überlegen, wofür man heute danken kann. Am Ende der Woche fließt der tägliche Dank für manche Menschen dann ein in den Sonntagsgottesdienst, in dem nicht nur am Erntedankfest gedankt wird für all das Gute, das wir Menschen erfahren.
Sonntag für Sonntag dankt die Kirche dafür, dass Gott seine ganze Schöpfung liebt und deswegen seinen Sohn Jesus in die Welt gesandt hat. Das ist ein echtes Ge-schenk, denn niemand konnte Gott dazu zwingen, Mensch zu werden. Es ist außerdem ein echtes Geschenk, weil niemand einen Anspruch darauf hatte, aufgrund der unendlichen Liebe Christi zu den Menschen die Erlösung und das Leben in Fülle zu bekommen. Das ist die Grundlage für alles, was uns an Gutem widerfährt. Und dieses Gute zeigt sich täglich in winzigen Kleinigkeiten. Es gilt nur, auf sie zu achten, um glücklich zu werden. KNA