Königin Elizabeth II. ist tot, Königin Margrethe II. hat im Januar abgedankt. Doch eine neue Generation an Thronfolgerinnen wächst gerade heran, um ihre Väter eines Tages abzulösen. Was wird von ihnen erwartet?
“Was soll das für eine Gesellschaft abbilden?”, heißt es in der Regel spöttisch, wenn auf einem Bild nur Männer eines bestimmten Alters in einflussreichen Positionen zusammenstehen. Diese Frage würde garantiert auch gestellt, zeigten sich die Monarchen Europas auf einem Foto vereint. Aber die Zukunft sieht wohl deutlich anders aus: In Belgien, den Niederlanden, Spanien und Schweden werden in der nächsten Generation die Töchter den Thron übernehmen, und in Norwegen in der übernächsten Generation wie auch ein weiteres Mal in Schweden. Denn die Kronprinzessin dort hat eine Tochter, die ihr folgen dürfte.
Dass Töchter den Thron übernehmen können, wenn sie als ältestes Kind geboren werden, ist seit einiger Zeit unter den europäischen Herrscherhäusern mehrheitsfähig; entsprechende Gesetze wurden dahingehend geändert. Die regierenden Herrscherfamilien sind zwar traditionell eher konservativ, doch müssen sie auch den Raum lesen können, sprich: sich nicht völlig abgekoppelt von den gesellschaftlichen Trends zeigen. Doch gibt es Ausnahmen: Sowohl in Monaco als auch in Liechtenstein ist die Thronfolge weiter Männern vorbehalten.
Die Thronfolgerinnen heute fahren nicht nur mit ihren Eltern in einer goldenen Kutsche zu Royal-Events; sie müssen auch durch den Schlamm robben, um bei der Armee eine Ausbildung zu absolvieren. Aber sonst sollen sie möglichst normal aufwachsen – diesen Wunsch äußerten verschiedene royale Eltern für ihre Kinder. “Eine königliche Kindheit kann alles sein, aber sicherlich nicht ‘normal’, vor allem wenn es sich um Thronfolgerinnen und Thronfolger handelt”, sagt Martina Winkelhofer, österreichische Historikerin und Autorin verschiedener Bücher über den Adel.
“Keine Thronfolgerin kann so aufwachsen wie bürgerliche Kinder. Das beginnt mit der permanenten Anwesenheit von Leibwächtern und endet mit der täglichen Verfolgung durch Paparazzi und Handys, die ihnen ins Gesicht gehalten werden”, so Winkelhofer. Normalität setze Anonymität voraus, und genau das haben royale Kinder nicht. In einem nähern sich königliche und bürgerliche Erziehung allerdings mittlerweile an, stellt Winkelhofer fest: Royals vermitteln ihren Kindern heute ein Bewusstsein für vieles, das in der Welt vor sich gehe oder geändert werden müsse – vom Klimawandel bis zu sozialer Benachteiligung.
Auch die Religion gehört dazu. Alle Herrscherfamilien in Europa gehören entweder der katholischen oder einer evangelischen Kirche an. Entsprechend werden ihre Kinder in die Kirche aufgenommen und im Glauben unterwiesen. Egal ob die künftigen Königinnen oder Könige privat viel oder wenig mit Religion anfangen können – zu bestimmten Anlässen ist der Besuch von Gottesdiensten Pflicht.
Wie schwer ist es, sich auf den Beruf “Königin” vorzubereiten? Die praktischen Repräsentationspflichten seien leicht zu erlernen, meint die Historikerin. “Freundlich sein, höflich zuhören und lächeln – den Rest für perfekte ‘königliche Auftritte’ übernehmen Stylisten und Make-up Artists. Um das nicht zu schaffen, muss man schon außergewöhnlich unbegabt sein.”
Den Balanceakt, den heutige Königinnen an den Tag legen müssen, sei dagegen viel schwieriger zu erlernen, erklärt Winkelhofer. Dazu gehöre, Distanz zu wahren, die königliche Bühne professionell zu bespielen wie zum Beispiel Empfänge in kostbaren Roben und mit Tiara im Haar abzuhalten, um royale Magie zu erzeugen. Gleichzeitig aber sollen sie so nahbar wie möglich sein, die “Frau von nebenan”.
Was sie definitiv können müssen, sei Schweigen beim Thema Politik, betont die Historikerin. Denn in konstitutionellen Monarchien, wie sie heute in Europa vorherrschen, dürften Monarchinnen eines auf keinen Fall: sich politisch äußern, Meinungen kundtun, die politisch gedeutet werden können. Winkelhofer: “Je weniger eine Monarchin spricht, desto besser.”
Ihrer Meinung nach war die verstorbene Königin Elizabeth II. darin eine Meisterin. Sie habe es geschafft, die Rolle der Königin vollendet auszufüllen, ohne dass sie je persönliche Ansichten, Sympathien oder Abneigungen durchblitzen ließ. “Im besten Fall ist eine Monarchin eine Projektionsfläche. Wer das schafft, kann auch zur heutigen Königsdisziplin vorstoßen; und die lautet: Integrationsfigur zu sein”, erklärt Winkelhofer.
Regieren Frauen anders? Nein, sagt die Expertin, denn die Spitze der königlichen Hierarchie kenne keine Unterscheidung zwischen Mann und Frau. Sie empfiehlt einen Blick in die Vergangenheit: “Regierende Monarchinnen waren immer genauso weise, kriegerisch, pragmatisch oder diplomatisch – oder eben nicht – wie ihre männlichen Gegenstücke.”
Winkelhofer betont, es habe bei Königinnen nie einen “weiblichen” Regierungsstil gegeben. Das werde auch für die künftigen Frauen auf Europas Thronen gelten: “Sie werden genauso Paraden abnehmen, Uniformen tragen, Orden verleihen, Regierungen angeloben, wie es ihre männlichen Kollegen tun – und die wenigen regierenden Königinnen der jüngsten Vergangenheit auch taten.”