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Muslime und Christen erwarten den Papst in Indonesien

Von 3. bis 6. September reist Papst Franziskus nach Indonesien. Im bevölkerungsreichsten islamischen Land der Welt will er den interreligiösen Dialog voranbringen. Prominente Vertreter von Kirche und Islam sind gespannt.

Das Treffen im Hauptquartier der indonesischen Islam-Organisation Nahdlatul Ulama (NU) beginnt verspätet, aber gastfreundlich. Bereitwillig gibt Kleriker Yahya Cholil Staquf Auskunft darüber, was Muslime in Indonesien vom nahenden Papstbesuch erwarten. Er zählt als Vorsitzender zum Leitungsteam der NU, kennt Franziskus nach mehreren Begegnungen in Rom persönlich.

“Wir wollen der ganzen Welt zeigen, dass Indonesien ein lebendiges Beispiel dafür ist, was der Papst und der Großimam der Kairoer Azhar-Universität auf den Weg gebracht haben”, sagt der Funktionär mit Verweis auf die 2019 in Abu Dhabi veröffentlichte gemeinsame Erklärung zur Geschwisterlichkeit aller Menschen. Das Treffen von Franziskus und Großimam Ahmad al-Tayyeb auf der Arabischen Halbinsel gilt als historisches Ereignis für den christlich-islamischen Dialog.

Nahdlatul Ulama (“Wiedererwachen der Gelehrten”) hat mehr als 95 Millionen Mitglieder. Yahya Cholil Staquf beschreibt die Organisation als Vertreter eines traditionell-gemäßigten Islams – im Gegensatz zu dem saudischer Prägung. “Die Saudis sind konservativ, aber sicher nicht traditionell. Ihr Islam-Modell entstand erst im 18. Jahrhundert.” Auf dem indonesischen Archipel habe sich seit Beginn der Islamisierung im 13. Jahrhundert durch arabische Händler eine ununterbrochene Kette der Überlieferung erhalten, erläutert der Religionsgelehrte. Dies sei kulturell in die indonesische Gesellschaft eingebettet worden.

Nur wenige Kilometer vom NU-Hauptquartier entfernt lebt und arbeitet Pater Franz Magnis-Suseno in der von ihm gegründeten Hochschule für Philosophie. Der in Nürnberg geborene Jesuit ist in Indonesien bestens vernetzt, seine Stimme wird von den Mächtigen gehört. “Die katholische Kirche hat gute Beziehungen zur NU und zur Muhammadiyah aufgebaut. Da war ich dabei”, sagt der 88-Jährige. Die Muhammadiyah ist mit rund 50 Millionen Mitgliedern die zweite muslimische Massenorganisation im bevölkerungsreichsten islamischen Land der Welt.

Das Verhältnis zwischen Muslimen und Christen ist nicht ohne Spannungen. Während der zehnjährigen Regierungszeit von Susilo Bambang Yudhoyono (2004-2014) erstarkten radikale und militante islamische Gruppen. Ziel ihrer Angriffe waren Kirchen, aber auch Gotteshäuser der als abtrünnig angesehenen Schiiten sowie der Ahmadiyya-Glaubensgruppe. Yahya Cholil Staquf sagt dazu eher ausweichend: “Die Welt ist kein einfacher Ort zum Leben. Radikale Gruppen gibt es überall.” Indonesien sei indes traditionell ein Land sozialer Harmonie und Toleranz. Dies werde durch einen institutionellen Rahmen der Kommunikation und Zusammenarbeit unter den Religionen gesichert.

Vor allem während der zweiten Amtszeit des scheidenden Präsidenten Joko Widodo, der seit 2014 amtiert, konnte der extremistische Islam zurückgedrängt werden. Daran hatten Religionsminister Yaqut Cholil Qoumas, Bruder des NU-Vorsitzenden, aber auch Kirchenvertreter und die NU selbst ihren Anteil. Der radikale Islam ist in Indonesien derzeit eher in der Defensive, aber nicht verschwunden. Seine Anhänger sind auch in den Reihen der beiden islamischen Massenorganisationen zu finden.

Indonesiens gesellschaftlich-religiöse Zukunft sieht Jesuit Magnis-Suseno dennoch optimistisch. Die große Mehrheit des Volkes und der Politik bildeten mit der NU und der Muhammadiyah als Repräsentanten des Mainstream-Islams eine “große Koalition für den säkularen Staat”. Magnis-Suseno ist sich sicher: “NU und Muhammadiyah haben Angst vor einem radikalen Islam.”

Der Geistliche wird unter den Ordensleuten sein, die den Papst demnächst treffen dürfen. Während seiner Asienreise besucht Franziskus Indonesien vom 3. bis zum 6. September – vor allem, um den interreligiösen Dialog mit dem Islam, ein zentrales Thema seines Pontifikats, voranzutreiben. “Ich wollte eigentlich nicht so prominent dabei sein”, sagt Magnis-Suseno. “Ich fand, man sollte den jüngeren Jesuiten den Vorrang geben. Aber der Papst bestand darauf, die letzten drei noch lebenden alten Jesuiten zu treffen, die noch als Missionare nach Indonesien gekommen waren.”

Für beide, Franz Magnis-Suseno und Yahya Cholil Staquf, ist die Papstvisite ein Zeichen, dass Brüderlichkeit unter den Religionen tatsächlich möglich ist. Architektonisches Symbol der Verbundenheit ist ein eigens für den Besuch gebauter Tunnel in Jakarta – zwischen der katholischen Kathedrale und der Istiqlal-Staatsmoschee.