Zwischen Pharaonen und Obelisken sind derzeit im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst in München Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Dirk Altenkirch aus dem Ägypten von 1983 zu sehen. Ein dokumentarischer Schatz.
“Mumkin Sura” – das klingt erst mal exotisch. Es ist Ägyptisch und bedeutet auf Deutsch: “Ist ein Foto möglich?” Jedes Mal, wenn der Fotograf Dirk Altenkirch auf seiner mehrwöchigen Ägyptenreise im Jahr 1983 jemanden sah, auf den er die Kamera richten wollte, stellte er diese Frage. Welchen Erfolg er hatte, zeigen seine über 80 Schwarz-Weiß-Bilder, die bis 20. Oktober im Staatlichen Museum Ägyptische Kunst in München zu sehen sind.
Fast immer bekam Altenkirch (Jahrgang 1955) nämlich ein herzliches “Ja” als Antwort. Auf einem seiner Fotos schaut ein Mädchen im geblümten Kleid fasziniert durch eine Kleinbild-Kamera und kniet dabei im Hof ihres Elternhauses in der Oase Farafra. Ihre Geschwister und Spielgefährten blicken interessiert auf sie und den Fotografen ihnen gegenüber, der die Szene festhielt. In all diesen Fotos spürt man eine positive Interaktion zwischen dem Fotografen und den abgelichteten Menschen, denen er respektvoll begegnet ist.
Das spiegeln die Gesichter dieser Menschen, die durchweg lachen oder zumindest wohlwollend in die Kamera schauen. “Sie fanden das Fotografiertwerden als Wertschätzung”, sagt Altenkirch. Vertrauen herzustellen, war auch deshalb wichtig, weil der Fotograf abseits der üblichen Touristenpfade durch das Land reiste. Auch wenn diese Aufnahmen vor mehr als 40 Jahren entstanden, so wirken sie zeitlos. Sie gewähren seltene Einblicke in das von Gegensätzen geprägte Leben in der fruchtbaren Nilregion und in den Oasen der libyschen Wüste.
Vor allem die 19 Menschen, deren Porträts im Gang zwischen den beiden großen Ausstellungsräumen hängen und von hinten beleuchtet sind, kommen dem Besucher sehr nahe. Ob ein wartender Junge am Pavillon, Lastenträger bei der Arbeit oder Suq-Besucher, Frauen in ihren traditionellen Gewändern und Schmuck, die mehrfach um den Kopf und Hals gewickelten Tücher, die vor Kälte, Hitze und Sand schützen – immer zeigen Altenkirchs Fotos das Leben dieser Menschen ohne Filter und Inszenierung.
Die über 80 Fotos, eine Auswahl von über 500 Aufnahmen und noch nie vorher öffentlich zu sehen, greifen thematisch die Etappen von Altenkirchs Reise auf. Sie stellen die Frauen, Männer und Kinder in den Mittelpunkt, die dem Fotografen begegnet sind. Für ihre Präsentation haben sich die Ausstellungsmacher etwas Besonderes einfallen lassen: Die Fotos sind auf 18 über 6 Meter hohe Banner aus Spezialpapier gedruckt, die vor den Fenstern zum Innenhof hängen und vom Tageslicht beleuchtet werden – ein großartiger Effekt. Sie sind dadurch in die Dauerausstellung integriert und wirken, als würden sie schon immer hier hängen.
Zu sehen sind auf ihnen: das bunte Straßen- und Alltagsleben in Kairo und Alexandria, die seltenen Ruhepausen der Händler und Handwerker, einen Jungen, der eine Kiste Fladenbrot auf dem Kopf balancierend per Fahrrad durch die belebten Straßen transportiert, Faden- und Besenverkäufer in schrankartigen Mauernischen. Dazu kommen ägyptische Kaffeehaus-Kultur, das Ineinander von archäologischen Ruinen und modernen Häuserfluchten sowie die einzigartige Lehmarchitektur der alten Oasenstädte mit engen Gassen.
Natürlich gehören auch Esel dazu, die ständigen Begleiter der Oasenbewohner: als Lastenträger, Reittier, Sitzgelegenheit zum Ausruhen oder als Freund und Spielgefährte der Kinder. Manche von ihnen erledigen sogar ihre Hausaufgaben auf dem Rücken der Tiere oder lesen Bücher.