Artikel teilen:

Missbrauchsfall in Brandenburg: Landeskirche zieht Konsequenzen

Nach Vorwürfen sexualisierter Gewalt: Ein Pfarrer aus Bad Freienwalde wird in den vorzeitigen Ruhestand versetzt. Wie die Landeskirche nun Betroffenen und Kirchengemeinde zur Seite steht.

Gegen einen Pfarrer aus Bad Freienwalde (Brandenburg) gibt es Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs
Gegen einen Pfarrer aus Bad Freienwalde (Brandenburg) gibt es Vorwürfe des sexuellen MissbrauchsImago / McPhoto

Einem ehemaligen Pfarrer in Bad Freienwalde wird sexualisierte Gewalt gegenüber Jugendlichen vorgeworfen. Dem Konsistorium der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) ist der Fall seit Frühjahr 2024 bekannt, gegen den Pfarrer wurde ein Disziplinarverfahren eingeleitet und er wurde freigestellt. Zur Abwendung einer Disziplinarklage wurde der 50-Jährige zum 1. Oktober in den Ruhestand versetzt. Er verliert damit einen Teil seiner Bezüge. Wie die Landeskirche den Fall aufarbeitet, darüber spricht im Interview Konsistorialpräsidentin Viola Vogel.

Frau Vogel, um was für Vorkommnisse soll es sich konkret handeln? Wie sind sie bekannt geworden?
Viola Vogel: Die Vorwürfe hatten die Kreiskirchliche Ansprech­person (KAP) erreicht und es erfolgte eine sofortige Freistellung durch den Kirchenkreis. Es wurde ein Kriseninterventionsteam gebildet und das Konsistorium informiert. Am 12. März 2024 beschloss das Kollegium des Konsistoriums direkt nach Kenntnisnahme der Vorwürfe, gegen den Pfarrer ein Diszip­linarverfahren zu eröffnen. Dem Beschuldigten wurde sexualisierte Gewalt gemäß Paragraf 2 des Gewaltschutzgesetzes der EKBO vorgeworfen. Das Disziplinarverfahren wurde sofort eingeleitet. Die Ermittlungen wurden im Mai 2025 abgeschlossen. Kirchliche Disziplinarverfahren werden vom Konsistorium der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO) als Dienstherr über die Pfarrerinnen und Pfarrer geführt und deren Inhalte werden vor dem Hintergrund des laufenden Verfahrens, aus Verfahrens- und auch Datenschutzgründen nicht öffentlich kommuniziert.

An wen können sich Gemeinden oder Betroffene bei Fällen sexualisierter Gewalt in der EKBO wenden, welche Hilfemaßnahmen sind vorgesehen?
Jeder Hinweis oder Vorwurf wird sehr ernst genommen und sorg­fältig geprüft. Dabei stehen der Schutz der betroffenen Personen und die Abwendung von weiteren Gefahren im Mittelpunkt, die von einer beschuldigten Person aus­gehen könnten. Wichtig ist, dass Menschen, die von sexua­lisierter Gewalt betroffen sind, sich direkt an die landeskirchliche Fachstelle im Konsistorium wenden können, wo sie professionell begleitet und unterstützt werden. Per E-Mail ist die Fachstelle unter fachstelle.praevention@ekbo.de sowie unter der Telefonnummer (030) 24 34 44 568 zu erreichen.

Dr. Viola Vogel, Konsistorialpräsidentin der EKBO
Dr. Viola Vogel, Konsistorialpräsidentin der EKBOEKBO / Franziska Kestel

Darüber hinaus gibt es in jedem Kirchenkreis Ansprechpersonen, die alle Hinweise aufnehmen und vor Ort unterstützen. Als unabhängige Anlaufstelle steht der unabhängige Verein wendepunkt unter der Mailadresse: vertrauensstelle-ekbo@wendepunkt-ev.de zur Verfügung. Menschen, die sexualisierte Gewalt erlitten haben, können sich auch an die Anerkennungs­kommission unserer Landeskirche wenden. Dort erfahren sie Hilfe und Unterstützung und werden im Gespräch mit den Mitgliedern der Anerkennungskommission auch durch Verfahrenslots:innen begleitet, sofern sie das wünschen. Die Kommission arbeitet unabhängig. Die Geschäftsstelle der Kommission ist zu erreichen über die E-Mail-Adresse: anerkennungskommission@ekbo.de

Sind die Vorkommnisse des aktuellen Falls strafrechtlich relevant?
Ein strafrechtliches Verfahren ist nach unserer Kenntnis in dem betreffenden Fall eingestellt worden. Strafrechtliche Verfahren werden nicht durch die EKBO kommentiert. Sollte es hier zu erneuten strafrechtlichen Ermittlungen kommen, gibt es einen neuen Sachverhalt und dann prüfen wir umgehend, ob die Eröffnung eines erneuten Diszip­linarverfahrens nötig wird. Wir ermutigen betroffene Menschen immer ausdrücklich, sich zu melden und sichern neben einem eventuellen Disziplinarverfahren eine betroffenenorientierte Begleitung und Unterstützung durch die Fachstelle zu.

Es heißt, dass der 50-jährige Pfarrer in den Vorruhestand versetzt wurde zur Abwendung einer kirchlichen Disziplinarklage. Warum hat sich die Landeskirche gegen eine Disziplinarklage entschieden?
Mit den disziplinarrechtlichen Ermittlungen sahen wir die Vorwürfe bestätigt. Von einer Disziplinarklage haben wir gleichwohl abgesehen, da wir eine einvernehmliche Versetzung in den Ruhestand und eine Entfernung aus der Gemeinde erreichen konnten. Auf dem Weg der Disziplinarklage hätte dies vermutlich einige Jahre länger gedauert und die gemeindeinterne Aufarbeitung wäre sehr schwierig gewesen. Uns liegt daran, dass der Beschuldigte keinen pfarramtlichen Dienst mehr ausübt.

Wie ist die Situation in der Kirchengemeinde? Wird hier von außen begleitet?
Die Kirchengemeinde setzt sich in dieser akuten Krise mit der Unterstützung von Kirchenkreis, Generalsuperintendentur sowie Fachstelle, Konsistorium, mit den Vorgängen der Vergangenheit auseinander und schaut auch nach vorn. Wenn die Phase der Auf­arbeitung beginnt, sind wir von landeskirchlicher Seite aus unterstützend und begleitend da.

Wie beeinflusst der Fall die Aufarbeitung von Fällen sexualisierter Gewalt in der EKBO?
Wir werten die einzelnen Schritte, Maßnahmen, Abläufe aus und werden daraus die Schluss­folgerungen ziehen, was zu verbessern ist mit Blick auf vergleichbare Fälle. Dabei geht es um möglicherweise noch zu optimierende Kommunikationswege, um weitere mögliche Formen der Unterstützung von Kirchen-­gemeinden, deren Pfarrer aufgrund eines Disziplinarverfahrens aus dem Dienst genommen sind, um Klarheit in den Verfahrensabläufen. Kirchenrecht soll und muss schützen vor sexualisierter Gewalt. Zusätzlich müssen wir in unseren Kirchen­gemeinden wie auf allen Ebenen unserer Landeskirche eine Kultur der Achtsamkeit, des Hinsehens und des Schutzes stetig fort­entwickeln, um potenzielle Täter abzuschrecken. Genauso relevant sind die dann folgenden Schritte der Aufarbeitung, der Weiterentwicklung von Schutzkonzepten und von Schulungen.

Weitere Informationen und Kontakte zu Ansprechpersonen zum Thema Aufarbeitung von Missbrauch und sexualisierter Gewalt in der EKBO gibt es hier