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Missbrauchsbetroffener verklagt Bistum auf 400.000 Euro

Ein Betroffener von sexuellem Missbrauch hat das katholische Bistum Hildesheim auf Schmerzensgeld in Höhe von 400.000 Euro plus Zinsen verklagt. Die Klageschrift sei bereits in der vergangenen Woche beim Landgericht Hildesheim eingereicht worden, teilte die Betroffeneninitative Hildesheim mit. Ein Sprecher des Gerichts bestätigte den Eingang am Freitag auf Nachfrage des Evangelischen Pressedienstes (epd).

Zu den konkreten Forderungen des Klägers äußerte sich das Landgericht mit Verweis auf die noch ausstehende Zustellung der Klage an das Bistum nicht. Um das Verfahren in Gang zu setzen, müsse die Klägerseite zunächst einen Vorschuss auf die Verfahrenskosten leisten. Sollte das Verfahren aufgenommen werden, sei frühestens in einigen Wochen mit einem Beginn der mündlichen Verhandlungen zu rechnen.

Es ist das erste Mal in Norddeutschland, dass eine Schmerzensgeldforderung gegen ein Bistum vor Gericht ausgetragen wird. Bislang hatte das Bistum Hildesheim Betroffenen in einem besonderen Verfahren sogenannte Anerkennungsleistungen in Höhe von bis zu 50.000 Euro gezahlt, die von einer Unabhängigen Kommission festgelegt werden. Dabei gibt es eine Plausibilitätsprüfung, aber kein juristisches Beweisverfahren.

Dem Bistum selbst liegt die Klageschrift nach eigenen Angaben noch nicht vor. „Wenn der Betroffene Klage einreicht, dann ist das sein gutes Recht“, sagte Sprecher Volker Bauerfeld dem epd. „Dem wird sich das Bistum vollumfänglich stellen.“ Einen Vergleich schließe das Bistum jedoch aus, um das Anerkennungsverfahren nicht zu beschädigen.

Der 49-jährige Kläger wurde nach eigenem Bekunden als Kind von einem im Jahr 2000 verstorbenen Priester in Hildesheim-Sorsum vergewaltigt. Er sei damals zwischen neun und elf Jahre alt gewesen. Er habe bereits vier Versuche unternommen, außergerichtlich eine angemessene Anerkennungsleistung zu erhalten. Diese seien vonseiten des Bistums jedoch als „Mauschelei“ abgelehnt worden, hieß es in der Mitteilung der Betroffeneninitative Hildesheim.

Dem Kläger waren von der Anerkennungskommission insgesamt 50.000 Euro zugesprochen worden. Diese Summe sei aber angesichts des schweren Leids, das er erfahren habe, viel zu gering, sagte der Verwaltungswirt dem epd. „Ich möchte es mir nicht mehr gefallen lassen, dass ich weiter bagatellisiert und traumatisiert werde. Ich möchte, dass das Gericht eine richtige Summe festlegt.“ Er gehe davon aus, dass er wegen der Folgen des Missbrauchs nicht bis zur Rente arbeiten könne. „Und ich möchte nicht in Altersarmut leben.“

Im Juni 2023 hatte das Landgericht Köln einem Missbrauchsbetroffenen 300.000 Euro an Schmerzensgeld zugesprochen. Der Mann war in den 1970er-Jahren als Messdiener von einem Pfarrer missbraucht worden. Es war bundesweit das erste Urteil seiner Art. Er wisse von zahlreichen anderen geplanten Klagen gegen katholische Bistümer, sagte der Hildesheimer Kläger.