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Missbrauch im Netz: Wie Eltern ihre Kinder schützen können

Ein 20-jähriger Hamburger steht im Zentrum eines internationalen Missbrauchsfalls. Eine Expertin warnt: Die digitale Welt ist für Kinder und Jugendliche genauso gefährlich wie die reale – sie braucht Aufsicht und Aufklärung.

Er soll gezielt psychisch labile Kinder in Foren angesprochen, sie zu schweren Selbstverletzungen und sexuellen Handlungen in Live-Chats gebracht haben: Ein 20-jähriger Hamburger soll Berichten des “NDR” zufolge einer der Haupttäter in einem international agierenden Missbrauchsnetzwerk zu sein. Laut Staatsanwaltschaft und Landeskriminalamt soll er demnach über Jahre hinweg mehr als 120 schwerste Straftaten begangen haben.

Insgesamt haben Polizei und Staatsanwaltschaft laut “NDR” acht geschädigte Kinder im Alter von 11 bis 15 Jahren ermittelt, die aus Deutschland, England, Kanada und den USA stammen. Den Opfern sei zunächst Zuneigung oder Freundschaft vorgetäuscht worden, später seien sie zu Selbstverletzungen und sexuellen Handlungen gezwungen oder gar in den Suizid getrieben geworden. Der Fall wirft die Frage auf, wie Kinder und Jugendliche im Internet besser vor Missbrauch und Manipulation geschützt werden können.

Denn: “Der Alltag von Kindern spielt sich zunehmend online ab”, erklärt Deborah Woldemichael, Leiterin EU-Initiative “klicksafe”, auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Diese Online-Räume existierten nicht losgelöst von der Realität. “Das zeigen uns dann immer die tragischen Fälle, wenn digitale Gewalt in realen Todesfällen endet”, sagte Woldemichael. Es sei daher wichtig, dass Erwachsene Kinder und Jugendliche nicht nur analog, sondern auch digital begleiteten.

“Auf der technischen Ebene ist es wichtig, die Geräte kindersicher einzustellen und private Kinder-Konten einzurichten”, so die Expertin. Die Schutzmaßnahmen der Dienste für Minderjährige – zum Beispiel das Nachrichten von fremden Personen eingeschränkt werden – griffen aber nur, wenn man bei der Registrierung das korrekte Alter angebe. Manche Dienste böten zudem einen begleiteten Modus für Eltern. “So können Eltern ihre Kinder auf Plattformen begleiten und die Aktivitäten ihrer Kinder einsehen”, erklärt Woldemichael.

Sie betont allerdings: “Technische Maßnahmen bieten keinen hundertprozentigen Schutz.” Sie könnten Medienerziehung also nicht ersetzen. Daher sei der regelmäßige Dialog mit den Kindern über die Gefahren und Online-Erlebnisse unbedingt notwendig. Woldemichael: “Eltern sollten ihren Kindern signalisieren, dass sie bei Problemen jederzeit ansprechbar sind und sollten ihnen zusätzlich zuverlässige und sichere Beratungs- und Hilfsangebote zeigen für den Fall, wenn sie einmal in schwierigen Situationen stecken.”

Ihrer Erfahrung nach sind Kinder und Jugendliche oft bereit, zu erklären. Sie rät Eltern: “Stellen Sie Ihren Kindern oder Jugendlichen zum Beispiel die Frage, was bestimmte Symbole oder Trends bedeuten oder fragen sie sie in einer vertrauensvollen Atmosphäre zu ihren Online-Aktivitäten.” Eltern sollten ihre Kinder zudem frühzeitig über manipulative Techniken und reale Konsequenzen etwa bei Cybergrooming aufklären und ihnen Medienkompetenz vermitteln. “Wichtig dabei ist es, alle verfügbaren Sicherheitseinstellungen in Apps oder Gaming-Plattformen gemeinsam mit dem Kind vorzunehmen und die Gefahren offen anzusprechen”, betont Woldemichael.

Sie empfiehlt weiter, dass Eltern ihren Kindern die Melde- und Blockierfunktion in Apps und Plattformen zeigen. “Wenn alle Grundkompetenzen bearbeitet und besprochen sind, können sie Jugendliche dann ruhigen Gewissens mobiler und freier surfen lassen”, sagt die “klicksafe”-Expertin. Dabei gelte es aber weiter, mit ihnen “in einem guten und regelmäßigen Austausch über die Aktivitäten und Erlebnisse zu bleiben”. Um die eigenen Kinder vor einem Abdriften oder einer Radikalisierung im Netz zu schützen, sollten Eltern außerdem zeitliche Grenzen setzen, fordert Woldemichael. “Sie sollten auf eine gute Balance zwischen Online- und Offline-Aktivitäten im Alltag achten.”