„Ich bin ich. Vom Integrieren und Integriertwerden“ ist ein Vortrag von Edgar L. Born überschrieben. Der Referent für Integration im Institut für Kirche und Gesellschaft (IKG) der Evangelischen Kirche von Westfalen ist in der neuen IKG-Arbeitsgruppe „Flucht, Migration und Integration“ zuständig für das Thema „Integration von Flüchtlingen“. Mit ihm sprach Christa Martens, Öffentlichkeitsreferentin des IKG.
• Das Thema „Integration“ ist in aller Munde. Besonders im Blick auf die Integration der zu uns geflüchteten Menschen melden sich viele Menschen mit den unterschiedlichsten Meinungen und Vorschlägen zu Wort.
Dass sich viele Menschen zu Wort melden, ist an sich nicht unerfreulich. Im Gegenteil. Aber es sollten nicht zuerst fertige Antworten gegeben, sondern die richtigen Fragen gestellt werden. Zum Beispiel: „Wer integriert eigentlich wen? Wer setzt fest, was Integration ist und wann jemand integriert ist?“ Gilt: „Ich sage dir, wann du integriert bist“ oder: „Du sagst mir, wann du integriert bist“?
• Überfordert das nicht Neuzugewanderte?
Es geht dabei vor allem um Respekt. Darum, die zu uns geflüchteten Menschen als Subjekt ihrer Integration anzusehen. Das wäre das richtige Signal. Nicht Integration als Forderung entgegenhalten, sondern das Versprechen zu geben, dass wir uns gemeinsam auf den Weg machen, damit Integration insgesamt gelingen kann.
Unsere Gesellschaft ist vielgestaltig in ihren verschiedenen Milieus, Herkünften und Prägungen. Vielgestaltig sind auch die Lebenswelten, die Geflüchtete mitbringen. Die entscheidende Frage ist: Wie können die vielgestaltigen Lebenswelten miteinander solidarisch verbunden werden, ohne dass jemand sich selbst aufgeben muss?
Integration geschieht gegenwärtig – nicht zuletzt durch die vielen Ehrenamtlichen, die viel Zeit und Kraft in das Miteinander mit Geflüchteten investieren.
• Ist Integration noch der richtige Begriff?
Sehr sinnvoll fand ich Integration im Blick auf Menschen mit Einschränkungen. Ich habe ihn während meines Studiums in den 70er Jahren in Bethel als sehr fortschrittlich kennengelernt.
• Inwiefern fortschrittlich?
„Behinderte“, wie man sie damals nannte, wurden vielfach in großen Einrichtungen untergebracht und so von den so genannten „Normalen“ getrennt. Integration meinte: Lasst sie teilnehmen. Integration setzte auf Begegnung. Und da können beide Seiten profitieren – hoffte man. Menschen mit Einschränkungen wurden selbstbewusster, wollten ernst genommen werden als eigenständiges Gegenüber. Bundespräsident Richard von Weizsäcker beschrieb in seiner Rede zum 8. Mai 1985 den Lernprozess: „Was wir zu lernen haben, ist so schwer und doch so einfach und klar: Es ist normal, verschieden zu sein.“
• Ist man heute im Kontext von Menschen mit Einschränkungen nicht weiter und spricht von Inklusion?
Genau. Inklusion ist sozusagen die nächste Stufe: Inklusion meint Teilhabe, nicht nur Teilnehmen. Inklusion will Vielfalt gestalten. Und dabei gilt es, Inklusion umfassend zu denken längs der gesellschaftlichen Trennlinien. Damit sind Prozesse der echten Teilhabe zu begreifen für Menschen mit und ohne Migrationshintergrund, für Menschen mit und ohne Einschränkung. Relevant wird es auch in der Genderfrage. Identitäten sind zu stärken, Chancengleichheit und die Vielfalt der Kulturen ist vernünftig zu gestalten.
• Was bedeutet das für die Geflüchteten?
Dass ihre Inklusion oder Integration von Anfang an gefördert wird. Denn Integration ist ein Prozess, der mit der Einreise beginnt und mindestens eine Generation dauert. Keine Zeit verlieren! Konkret heißt das, Geflüchtete so schnell wie möglich in kleinere Unterkünfte überzusiedeln. Denn wir wissen aus Erfahrung, dass Massenunterkünfte ohne Privatsphäre krank machen können. Also: Menschen nicht durch jahrelange Wartzeiten zur Untätigkeit verurteilen. Damit verbunden: Spracherwerb so schnell wie möglich ermöglichen, damit Menschen sich im Alltag zurechtfinden. Und frühe Eignungsprüfung und flexible Einstiege in den Arbeitsmarkt.