Während auf der Zugspitze noch diskutiert wird, wird in Leipzig schon abgeschoben. Die Bundesregierung macht offenbar Ernst mit ihrem härteren Migrationskurs. Wo führt das hin? Menschenrechtler und Kirche sind in Sorge.
Deutschland hat am Freitag erstmals unter der schwarz-roten Bundesregierung Menschen nach Afghanistan abgeschoben. An Bord des Fluges von Leipzig nach Kabul seien 81 vollziehbar ausreisepflichtigen afghanischen Männern gewesen, teilte das Bundesinnenministerium mit. Zeitgleich begann auf der Zugspitze ein von Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) einberufenes Treffen mit Amtskollegen mehrerer Nachbarstaaten. Menschenrechtler und kirchliche Verbände sehen den Migrationskurs der kritisch und warnen vor Rechtsverletzungen.
Mit dem nun erfolgten Abschiebeflug werde ein weiterer Teil des Politikwechsels umgesetzt, sagte Dobrindt. “Abschiebungen nach Afghanistan müssen auch zukünftig gesichert stattfinden können. Es gibt kein Aufenthaltsrecht für schwere Straftäter in unserem Land.” Deutschland müsse stärker werden bei Abschiebungen nach Afghanistan, perspektivisch auch nach Syrien, ergänzte der Minister im ARD-Morgenmagazin. Dazu müssten auch Kontakte in den Herkunftsländern, auch zu den Taliban, genutzt werden. Beim nun erfolgten Flug habe Katar mitgeholfen.
Es handelt sich um den zweiten Abschiebeflug seit dem Abschiebestopp nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan. Der erste war noch unter der damaligen Ampel-Regierung mit 28 Personen an Bord im August 2024 durchgeführt worden. CDU, CSU und SPD hatten in ihrem Koalitionsvertrag vereinbart, Menschen nach Afghanistan und Syrien abschieben zu wollen, zunächst Straftäter und Gefährder.
Pro Asyl und Amnesty International kritisierten die erneute Abschiebung. “Abschiebungen nach Afghanistan sind ein eklatanter Verstoß gegen das Völkerrecht, denn die Taliban herrschen dort mit brutaler Gewalt wie Auspeitschungen und Hinrichtungen für Verstöße gegen ihre Sittenregeln”, sagte die rechtspolitische Sprecherin von Pro Asyl, Wiebke Judith. Auch sei die humanitäre Situation katastrophal.
Die Generalsekretärin von Amnesty International in Deutschland, Julia Duchrow, sagte, außergerichtliche Hinrichtungen, Verschwindenlassen und Folter seien in Afghanistan an der Tagesordnung. Niemand, auch nicht ein Straftäter, verdiene eine öffentliche Hinrichtung, Folter oder den Tod. “Menschenrechte gelten entweder für alle Menschen oder für niemanden.”
Kirchliche Verbände äußerten sich unterdessen kritisch zur angekündigten Verschärfung der europäischen Migrationspolitik, die auf dem Zugspitzengipfel besprochen werden soll. Der katholische Caritasverband warnt vor weiteren Abschottungen. “Die Verhinderung von Migration durch immer neue Barrieren stärkt vor allem skrupellose Schleuser”, erklärte der Vorstand für Internationales, Migration und Katastrophenhilfe, Oliver Müller. Statt neuer Zäune brauche es legale Zugangswege. Der Sozialverband warnt, dass einseitige nationale Maßnahmen das Vertrauen in die Grundpfeiler der EU gefährden könnten.
Dem evangelischen Hilfswerk Brot für die Welt fehlt bei dem Gipfeltreffen nach eigenen Worten der “politische Weitblick”. Anstatt das Asylsystem funktionaler zu machen, würden sich die anwesenden Staaten etwa durch Pläne zur Auslagerung von Asylverfahren an Drittländer ihrer Verantwortung entziehen wollen, so der Migrationsreferent des Hilfswerks Andreas Grünewald. Zudem würden dadurch insbesondere in Nordafrika autoritäre Strukturen begünstigt, worunter die Bevölkerung leide. “Die EU schafft so neue Fluchtursachen.”
Die Migrationsbeauftragte der Bundesregierung, Natalie Pawlik, erklärte hingegen, die beim Gipfel besprochenen Maßnahmen sollten nicht zu einer Kriminalisierung, sondern zu einer Modernisierung des europäischen Asylsystems führen. “Wenn heute der ‘Migrationsturbo’ auf der Zugspitze gezündet werden soll, muss klar sein, dass eine restriktive Asylpolitik und Abschreckung Europa nicht weiterbringt”, so Pawlik. Stattdessen sollen Asylverfahren beschleunigt und Asylbewerber im Sinne des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems besser zwischen den europäischen Staaten verteilt werden. “Der Schutz vulnerabler Gruppen darf nicht angetastet werden”, betonte die Staatsministerin.