PublizistDer Publizist Michel Friedman sieht nur eine Hilfe gegen wachsenden Antisemitismus: “Bildung, Bildung, Bildung – auch emotionale Bildung, Täterbildung”, sagte Friedman der Augsburger Allgemeinen. Er ergänzte: “In den deutschen Schulen und zu Hause wurde eben nicht mit den Großeltern gesprochen und die Frage gestellt: Na sag mal, was hast du denn getan?”
Der Antisemitismus setze sich aus Millionen kleinen Schritten und Verstrickungen zusammen, fügte Friedman, selbst Jude, hinzu. Der Endpunkt, also die Gewalt, sei leider oft banal: “Tod, Massentod. Aber die Anfänge sind nicht banal. Seit ich hier lebe, heißt es: Wehret den Anfängen! Hätte man sie abgewehrt, müssten wir heute nicht darüber sprechen.”
Friedman kritisiert Klischee der Kollektivverantwortung von Juden
Auf die Frage, wie viel Nährboden die aktuelle israelische Politik dem Antisemitismus in aller Welt bereite, erwiderte Friedman: Es gebe viele Gründe, Vorwände, Fantasien, Gerüchte für Antisemitismus. Denn Antisemitismus sei äußerst kreativ. “Aber ich bin deutscher Staatsbürger. Und ich verbitte es mir, dass ich mich zu einer israelischen Politik äußern muss. Denn ich spiele dieses Spiel nicht mit, dass alle Juden für das verantwortlich gemacht werden, was ein Jude macht. Das ist eines der ältesten Klischees.”
Friedman kritisiert Absage seines Vortrags in Klütz
Der Publizist äußerte sich auch zur jüngst erfolgten Absage eines geplanten Auftritts im mecklenburgischen Klütz durch die Stadt. Friedman hätte dort laut Bericht über Demokratie und Gegenwartspolitik sprechen sollen. Begründet wurde die Absage demnach etwa mit möglichen Protesten von Rechtsextremen. “Nicht die AfD darf durch Gewalt und Gewaltandrohung die Freiheit zerstören, sondern die Demokratinnen und Demokraten müssen sie verteidigen”, so Friedman. “In diesem Sinne hat der Bürgermeister der Demokratie geschadet. So zu tun, als ob er sich um meine Sicherheit sorgt, ist pure Heuchelei.”
Demokratie und Freiheit stehen für Friedman im Mittelpunkt
Danach gefragt, was ihm Hoffnung gebe, dass die Demokratie in Europa dem Druck der Antidemokraten und Autokraten standhalte, antwortete Friedman: “Ich vertraue darauf, dass die Menschen ein gutes Leben führen wollen. Eine Diktatur ist kein gutes Leben. Deswegen hoffe ich, dass diejenigen, die spüren, dass das bessere Leben die Freiheit ist, sich auf den Weg machen.”
