Zeitenwende, Revolution, Meilenstein: Die prominenten Gäste des Festakts zum Memminger Gedenkjahr „500 Jahre Zwölf Artikel“ haben bei der Eröffnung des Jubiläumsprogramms nicht mit Superlativen gespart. Als Festredner bezeichnete Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Forderungen der Memminger Bauern von 1525 als „herausragendes Dokument deutscher Freiheitsgeschichte“. Schon damals hätten ihre Verfasser „die Idee eines unveräußerlichen“ Rechts auf Menschenwürde formuliert und eine politische Ordnung gefordert, „in der auch die Herrschenden das für alle geltende Recht beachten müssen“, sagte das Staatsoberhaupt am Samstag in der evangelischen Stadtkirche St. Martin.
Es sei deshalb „höchste Zeit“, die Memminger Freiheitskämpfer „auf die Landkarte unserer nationalen Erinnerung zu setzen“, erklärte Steinmeier: „Sie legten die ersten Körner jener Saat, aus der viel später unsere freiheitliche Demokratie wachsen sollte.“ Mit dem Festakt wurde zugleich die Ausstellung „Projekt Freiheit – Memmingen 1525“ des Hauses der bayerischen Geschichte eröffnet, die bis 19. Oktober im Dietrich-Bonhoeffer-Haus zu sehen ist. Sie erinnert an die aufständischen Bauern, die im März 1525 die „Zwölf Artikel“ formulierten, die heute neben der Magna Carta als früheste Forderungen nach Freiheitsrechten gelten. Bis zu 100.000 Menschen in Süd- und Mitteldeutschland sollen in den folgenden Bauernkriegen für ihren Kampf ihr Leben gelassen haben.
Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) erklärte, das Memmingen mit den „Zwölf Artikeln“ einen Meilenstein gesetzt und „Weltgeschichte geschrieben“ habe. „Die Hauptstadt von Deutschland ist heute Memmingen“, sagte Söder unter dem Beifall der Festgäste, zu denen auch der evangelische Landesbischof Christian Kopp und der Augsburger katholische Bischof Bertram Meier zählten. Söder würdigte vor allem das ausgleichende Wirken des Memminger Stadtrats von 1525: „Es gab eine geistige Freiheit zur Diskussion, eine Bereitschaft zuzuhören, ohne gleich auszugrenzen.“ Die Fähigkeit zum Ausgleich werde heute, wo die „eigene Meinung das Maximum“ sei, häufig geringgeschätzt. „Dabei ist der Kompromiss die Grundlage für alles“, erklärte der Ministerpräsident.
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) warnte vor einem sorglosen Umgang mit demokratischen Errungenschaften. „Demokratie ist nicht immun, Rechtsstaats-Verächter gibt es auch bei uns“, sagte die Politikerin in einem Dialoggespräch während des Festakts. Freiheit seine eine Voraussetzung für Demokratie, deshalb müssten sich Demokratinnen und Demokraten „jeden Tag dafür einsetzen“. Schülerinnen und Schüler der Memminger Lindenschule präsentierten kunstvoll gestaltete Plakate, auf denen sie die „Zwölf Artikel“ in modernes Deutsch übersetzt hatten.
Als Gastgeber der Festveranstaltung betonten die Memminger Dekane Christoph und Claudia Schieder, dass das Anliegen der Zwölf Artikel, „durch soziale Reformen für mehr gesellschaftliche Gerechtigkeit zu sorgen“, nichts von seiner Aktualität verloren habe. Dabei seien die Fragen nach Menschenwürde nicht nur Aufgabe der großen Politik, sondern müssten auch von jedem Einzelnen im Alltag beantwortet werden, so die Dekane, die auch Vorsitzende des Kuratoriums „Memminger Freiheitspreis 1525“ sind. Ziel des Jubiläumsjahrs und der Bayernausstellung sei es, „dass viele Menschen die Bedeutung der damaligen Freiheitsforderungen für sich persönlich neu entdecken.“ (0898/16.03.2025)