Der Bundesverband der Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus (Rias) mit Sitz in Berlin fordert eine zivilgesellschaftliche Meldestelle für antisemitische Vorfälle in Bremen. Jüdisches Leben werde in dem Bundesland überwiegend über das Gedenken an die Schoah verhandelt, heißt es in der am Donnerstag veröffentlichten „Problembeschreibung Antisemitismus in Bremen“. Die Perspektiven heute lebender Bremer Jüdinnen und Juden würden hingegen kaum wahrgenommen.
Die Studie lege erstmals dar, wie Antisemitismus im Bundesland von Jüdinnen und Juden erlebt und wahrgenommen wird, hieß es. Es gebe Morddrohungen, Beschimpfungen und Angriffe in Bildungseinrichtungen, im Wohnumfeld oder auf dem Weg zur Synagoge. Bereits Grundschulkinder würden antisemitisch beleidigt, geschlagen und ausgegrenzt. Lehrkräfte griffen nicht ein oder verharmlosten antisemitische Gewalt. Neben Anfeindungen gegen Einzelpersonen sei es auch zu Übergriffen auf jüdische Einrichtungen gekommen, etwa durch Hakenkreuz-Schmierereien an einer Synagoge oder auf dem jüdischen Friedhof.
Für die Studie wurden den Angaben zufolge die polizeiliche Statistik zur politisch motivierten Kriminalität der Jahre 2014 bis 2022 und Zahlen von nicht näher benannten „zivilgesellschaftlichen Stellen“ ausgewertet. Danach registrierten die Behörden insgesamt 190 Vergehen und die zivilgesellschaftlichen Stellen 86 Vorfälle.
Nur 14 Prozent dieser Vorfälle seien sowohl von den zivilgesellschaftlichen Stellen als auch von der Polizei als antisemitisch erfasst worden. Dies zeige, wie sehr die Polizei darauf angewiesen sei, dass Betroffene oder Zeugen antisemitische Straftaten überhaupt anzeigen, hieß es. Die Zahlen zeigten zudem, dass eine Anzeige mit entsprechenden Aussagen nicht zwingend als antisemitische Straftat aufgenommen werde.
Der Bundesverband wurde nach eigenen Angaben 2018 in Berlin gegründet. Ziel sei es, über das Meldeportal www.report-antisemitism.de bundesweit antisemitische Vorfälle zu erfassen und zu dokumentieren. Während es in zwölf Bundesländern bereits eine Rias-Meldestelle gebe, fehlten solche Einrichtungen in Bremen, Hamburg, Brandenburg und Rheinland-Pfalz.