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Meilenstein für die Transplantation von Tierorganen in Menschen

Organe von Schweinen könnten schwerstkranken Menschen das Leben retten. Doch für eine Verpflanzung gibt es hohe medizinische Hürden. Dennoch rückt die sogenannte Xenotransplantation näher.

Der Mangel an Organspendern ist groß – nicht nur in Deutschland. Allein in der Bundesrepublik stehen etwa 8.500 Menschen auf der Warteliste für ein neues Organ; aber nur rund 900 Personen jährlich spenden nach dem Tod ihre Organe. Wissenschaftler forschen deshalb weltweit daran, Organe von Tieren – vor allem von eigens gezüchteten Schweinen – auf den Menschen übertragen zu können.

Die Hürden für die sogenannte Xenotransplantation sind hoch. Doch jetzt berichten Wissenschaftler von einem Meilenstein: Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) hat erste klinische Studien zur Transplantation von genetisch veränderten Schweinennieren in menschliche Patienten genehmigt. Bis zu 50 Patientinnen und Patienten sollen eine Schweineniere erhalten. Schon bisher gab es einzelne Übertragungen von Tierorganen auf Menschen – allerdings nur als sogenannter individueller Heilversuch, für den die FDA eine Ausnahmegenehmigung erteilte.

Auch Wissenschaftler in Deutschland stehen in den Startlöchern. “Im wissenschaftlichen Bereich sind wir weltweit ganz vorne mit dabei. Da ist weder die USA noch China führend”, sagt Konrad Fischer, Leiter der Sektion Xenotransplantation an der Technischen Universität München, bei einem Gespräch des Science Media Centers in Köln. An der Münchner Uni züchten Forschende etwa eine Miniaturschweinerasse, deren Organe für Xenotransplantationen infrage kommen.

Vorsprung haben die USA nach Angaben von Philipp Felgendreff, Facharzt für Transplantationschirurgie an der Medizinischen Hochschule Hannover, vor allem durch die enge Kooperation von Wissenschaft und Industrie sowie durch weit höhere Forschungsetats. So seien dort unter hohem Aufwand Schweinelinien gezüchtet worden, die unter besonders sauberen Bedingungen gehalten werden und bei denen viele definierte Krankheitserreger genetisch ausgeschlossen worden seien, sagte Fischer. Das sei extrem teuer. Diese Infrastruktur fehle in Deutschland noch.

Noch sind die Überlebensraten bei einzelnen Heilversuchen in den USA gering: Vor wenigen Tagen berichteten Forschende aus Boston über die Xenotransplantation bei einem 62-Jährigen im März 2024. Die Niere war sofort funktionsfähig und der Patient benötigte keine Dialyse mehr. Allerdings starb er zwei Monate später. Ende November erhielt eine 53-Jährige in New York eine Schweineniere eingepflanzt – sie lebt noch. “Man darf nicht vergessen, dass, als die erste Transplantation von Mensch auf Mensch in Südafrika 1967 stattgefunden hat, der Patient auch nur 14 Tage überlebt hat”, ordnet Joachim Denner, Leiter der Arbeitsgruppe Virussicherheit der Xenotransplantation an der Freien Universität Berlin, die Zahlen ein. Heute sind Überlebensraten von 20 Jahren nicht selten.

Die Probleme bei der Übertragung von Tierorganen sind groß. So besteht ein hohes Risiko, dass der menschliche Körper sie abstößt. Deshalb züchten die Forscher Spenderschweine, in denen Gene ausgeschaltet werden, die für eine schnelle Abstoßung durch den menschlichen Körper verantwortlich sind, wie Felgendreff schildert. Zugleich werden menschliche Gene in das Erbgut der Tiere eingefügt, die die Akzeptanz für das fremde Organ verbessern sollen.

Zudem muss verhindert werden, dass zusammen mit dem Spenderorgan tierische Erreger übertragen werden, die den Empfänger krank machen könnten, wie Denner erläutert. “Wir müssen die Viren im Schwein, die es krank machen, wie beispielsweise das afrikanische Schweinefieber oder das Influenzavirus, eliminieren.” Zugleich müssten die Viren eliminiert werden, die potenziell auf den Menschen übertragen werden können und eine Zoonose hervorrufen. So sei bei der Transplantation eines Schweineherzens 2022 auch ein Herpes-Virus übertragen worden, so Denner. Es habe zum Tod des Patienten beigetragen.

Aus Sicht der deutschen Wissenschaftler ist es zugleich sehr wichtig, diejenigen Patientinnen und Patienten zu identifizieren, die sich als besonders günstig für eine Xenotransplantation herauskristallisieren. In den USA seien vor allem schwerstkranke Menschen ausgesucht worden, für die es keine andere Alternative gegeben habe. Das senke natürlich die Erfolgsraten. Denkbar seien Schweineorgane auch als Überbrückungstherapie für einen gewissen Zeitraum.

Wann die Verpflanzung von Tierorganen weltweit eine Standardbehandlung werden kann, das wollen die deutschen Wissenschaftler nicht prognostizieren. Das hänge vor allen Dingen von den Studien in den USA ab, so Denner, Felgendreff und Fischer übereinstimmend.