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Mehr Sicherheit bei Arzneimitteln in Afrika

In Afrika gibt es bislang kaum effektive Arzneimittelkontrollen – daher sind gefälschte Produkte weit verbreitet. Der Kontinent will das ändern – auch mit Hilfe der EU und Deutschlands.

Es war eine der weltweit schwersten Katastrophen durch verunreinigte Medikamente: Im westafrikanischen Gambia starben im Oktober 2022 mehr als 70 Kinder an einem in Indien hergestellten Erkältungssaft. Ein Weckruf für Afrikas Gesundheitsexperten. Die Ereignisse zeigten, dass wirksame und sichere Arzneimittel in Afrika häufig nicht oder nicht in genügendem Maß zur Verfügung stehen.

“Afrika importiert derzeit mehr als 80 Prozent seiner pharmazeutischen und medizinischen Verbrauchsgüter. Das ist nicht nachhaltig”, schrieb die Expertin der Afrikanischen Union, Janet Byaruhanga, vergangenes Jahr im UN-Magazin “Africa Renewal”. Medikamente und Impfstoffe kommen vor allem aus China oder Indien. In Corona-Zeiten war das besonders schwierig, weil Lieferketten unterbrochen wurden und viele Staaten zunächst für sich selbst produzierten oder in Länder lieferten, in denen höhere Preise bezahlt wurden.

Für Experten wie David Mukanga, Vorsitzender der African Medicines Regulation Harmonisation Partnership Platform, ist klar: Afrika muss eine eigenständige Pharmaindustrie aufbauen und eine wirksame Qualitätskontrolle für Medikamente entwickeln.

Zwar gibt es einige afrikanische Pharmafirmen in Ländern wie Südafrika, Kenia, Nigeria oder Ägypten, doch sie spielen bislang keine große Rolle. Zu klein die Märkte, zu teuer der Aufbau von Forschung und Produktion. Zudem ist der afrikanische Markt mit gefälschten und minderwertigen Arzneimitteln und Medizinprodukten überschwemmt. Die WHO schätzt, dass in Schwellen- und Entwicklungsländern im Durchschnitt rund zehn Prozent aller gehandelten Medikamente gefälscht oder ohne Zulassung sind oder aber Qualitätsmängel aufweisen. Deshalb brauche es ein Netz von Kontrollinstanzen, die Medikamente überprüfen, zulassen und den Markt überwachen, sagt Murray Lumpkin von der Gates Stiftung.

2018 beschlossen die Gesundheitsminister der Afrikanischen Union, die African Medicines Agency (AMA) einzurichten – nach Darstellung des Fachmagazins “The Lancet” ein Wendepunkt für den Kontinent. Mittlerweile haben 26 Länder den Vertrag ratifiziert. Möglicherweise kann die Agentur im kommenden Jahr ihre Arbeit aufnehmen. Das Ziel: Die AMA soll – wie die Europäische Arzneimittel-Agentur EMA – langfristig in allen 55 afrikanischen Ländern die Einführung innovativer medizinischer Produkte fördern und überwachen, wissenschaftlich-regulatorische Leitlinien erstellen, Forschung und Informationsaustausch antreiben, sagt David Mukanga. Auch sollen Investoren angelockt werden. Ein lohnender Markt: Schließlich hat sich Afrikas Nachfrage nach pharmazeutischen Mitteln laut OECD in den vergangenen zehn Jahren verdoppelt.

Unterhalb der AMA-Ebene haben nahezu alle Länder mittlerweile eigene Regulierungsbehörden und eigene Gesetzgebung entwickelt. Außerdem gibt es regionale Zusammenschlüsse. Allerdings verfügen viele der Zulassungsbehörden nicht über ausreichende Kapazitäten, um ihre Aufgaben zu erfüllen. 2022 beschlossen die EU, die Europäische Arzneimittel-Agentur, Belgien, Frankreich und Deutschland sowie die Bill & Melinda Gates Stiftung deshalb, mehr als 100 Millionen Euro zur Unterstützung der AMA und anderer Pharma-Regulierungsinitiativen zu mobilisieren.

Eine afrikanische Regulierungslandschaft soll entstehen. Das werde die Gesundheitssicherheit in Afrika verbessern und für hochwertige, sichere und erschwingliche Arzneimittel, Impfstoffe und andere Gesundheitsinstrumente sorgen, erklärte die EU-Kommission. Ein zentrales Problem ist der Mangel an Fachpersonal. Ein wichtiges Ziel Europas ist es deshalb, Fachkräfte zu schulen, die die Arbeit in den Aufsichtsbehörden der afrikanischen Partnerländer anleiten können.

Hilfe dazu kommt auch aus Deutschland. Wie das Paul-Ehrlich-Institut schult auch das Bonner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) afrikanische Partnerbehörden im Bereich der Arzneimittelsicherheit. Das BfArm unterhält derzeit ein Trainingsprogramm für 22 Experten aus Südafrika, Ghana, Tansania und Simbabwe. Bei Kursen geht es beispielsweise um die Auswertung klinischer Studien, Biostatistik und ein Kennenlernen der europäischen Strukturen bei der Bewertung von Impfstoffen und Medikamenten.

Anschließend sollen die Stipendiaten die Ausbildung von Kolleginnen und Kollegen in Afrika übernehmen. Entstehen soll ein Netzwerk von Experten, die Gesundheitssicherheit und Selbstversorgung mit Arzneimitteln auf dem afrikanischen Kontinent voranbringen.