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Medienwissenschaftler Pörksen: Zeit des Bürgerjournalismus ist da

Aus Sicht des Tübinger Medienwissenschaftlers Bernhard Pörksen ist die Phase des „Bürgerjournalismus“ angebrochen. Der US-Unternehmer Elon Musk etwa halte seine Plattform X (vormals Twitter) für das „neue Leitmedium“, sagte Pörksen am Donnerstag beim Medienpolitischen Kongress „Source“ in Stuttgart.

Ein Merkmal dieses neuen medialen Zeitalters sei, dass es zwar häufig heiße, man dürfe nicht mehr sagen, was man denke, gleichzeitig aber der „Diskussionskorridor aufgesprengt“ werde, sagte Pörksen. Als Elon Musk die Plattform Twitter übernommen habe, seien bereits am nächsten Tag die Hamas-Propaganda und der Hass gegen Trans-Menschen auf der Plattform explodiert. Auf TikTok brauche es laut einer Studie gerade einmal 40 Minuten, nachdem man sich dort angemeldet habe, bis man russische Propaganda auf dem Smartphone habe.

Pörksen plädierte für ein Schulfach „Digitale Medienkompetenz“: „Es reicht nicht, ein paar Paletten iPads über den Schulen abzuwerfen.“ Die Welt befinde sich mit der Digitalisierung mitten in der dritten großen Medienrevolution nach der Erfindung der Schrift und des Buchdrucks.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) zeigte sich offen für die Einführung eines solchen Schulfachs. Allerdings müsse man dafür anderes lassen, etwa eine verpflichtende zweite Fremdsprache „Das brauchen wir heute nicht mehr. Ich stecke mir einen Knopf ins Ohr und mein Telefon übersetzt – egal ob mein Gegenüber Spanisch, Polnisch oder Kisuaheli spricht.“

Nach Ansicht des stellvertretenden Chefredakteurs der Tageszeitung „Welt“, Robin Alexander, hatte die AfD bei der Nutzung sozialer Medien eine Vorreiterrolle. Grund sei, dass traditionelle Medien Vertreter der AfD lange nicht hätten interviewen wollen. Inzwischen sei die Frage, ob AfD-Politiker in Talkshows eingeladen werden, irrelevant, weil die AfD längst ihre eigene Öffentlichkeit habe, sagte Alexander.

Die anderen Parteien zögen jetzt nach. So habe Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) allein zwei Mitarbeiter, die sich nur um seine Social-Media-Präsenz kümmerten. „Die Regierung baut sich so einen Draht zum Volk, ohne Journalisten dazwischen“, sagte Alexander.