Bischöfliches Fragezeichen hinter Worte des Papstes: Bischof Kohlgraf warnt davor, das Thema Missbrauch kleinzureden. Sexualisierte Gewalt sei ein Verbrechen am Menschen. Die Kirche stehe dabei in der Verantwortung.
In der Debatte über den Umgang mit sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche hinterfragt der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf jüngste Aussagen von Papst Leo XIV. Dieser habe gesagt, sich ausschließlich auf das Thema der sexualisierten Gewalt zu konzentrieren, entspreche nicht dem Auftrag der Kirche und dem, was die Welt von ihr erwarte. Außerdem habe der Papst davor gewarnt, sich vom Missbrauchsskandal “vollständig in Beschlag nehmen zu lassen”, so Kohlgraf anlässlich einer Veranstaltung im Landtag von Rheinland-Pfalz am Donnerstagabend.
“An diese Aussage des Papstes zum Auftrag der Kirche und des Evangeliums möchte ich jedoch ein Fragezeichen setzen”, erklärte der Bischof laut vorab verbreitetem Redemanuskript: “Sexualisierte Gewalt ist ein Verbrechen am Menschen und ein Verrat am Evangelium.”
Denn der Auftrag des Evangeliums sei es, die Menschen zu stärken und sie entsprechend ihrer Würde zu behandeln: “Ich kann Ihnen versichern, dass wir uns im Sinne dieses Auftrags nicht zurücklehnen werden und dass es auch weiterhin unser Fokus sein wird, Verantwortung für das Versagen der Kirche auf verschiedenen Ebenen zu übernehmen.”
Die Verantwortung dürfe nicht enden, und der Weg zu einem Mentalitäts- und Haltungswechsel im System Kirche sei nicht abgeschlossen, so Kohlgraf laut Manuskript weiter. Leitend müsse dabei immer die Perspektive der Betroffenen sein. Dabei sei weiter zu schauen, wo es “blinde Flecken” gebe: “Wo wird vielleicht immer noch verharmlost, geschwiegen oder vertuscht? Dabei darf es keine Rolle spielen, ob dieser Blick unbequem ist oder fest Etabliertes hinterfragt.”
Nach Ansicht der Bevollmächtigten des Bistums Mainz, Stephanie Rieth, muss Kirche ein Ort sein, an dem sich Kinder, Jugendliche und Erwachsene sicher fühlen. Es gelte jedoch darüber hinaus, als Gesellschaft insgesamt eine Kultur zu fördern, “die sexualisierte Gewalt verhindert, schnell aufdeckt und betroffenenorientiert aufarbeitet”, so Rieth in der Einladung zu der Veranstaltung im Landtag unter dem Motto “Gegen sexualisierte Gewalt – Perspektiven auf Prävention, Intervention und Aufarbeitung”.