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Luthers dunkle Seiten

„Ertragen können wir sie nicht“ – unter diesem Titel zeigt das Jüdische Museum Rendsburg, wie der Reformator binnen 20 Jahren vom eifrigen Bekehrer zum erklärten Judenfeind wurde.

Historiker Carsten Fleischhauer im Jüdischen Museum Rendsburg
Historiker Carsten Fleischhauer im Jüdischen Museum RendsburgThorge Rühmann

Rendsburg. Zum Reformationsjubiläum präsentiert das Jüdische Museum Rendsburg seit Sonntag, 2. Juli, die Sonderausstellung „Ertragen können wir sie nicht“. In der Schau wird aufgezeigt, wie sich zu Martin Luthers Lebzeiten dessen Verhältnis zu den Juden veränderte: Der große Reformator entwickelte sich vom toleranten Missionar, der die jüdischen Mitmenschen zum Christentum bekehren wollte, zum entschiedenen Antisemiten, der sogar dazu aufrief, Synagogen in Brand zu stecken.
Die Wanderausstellung in der ehemaligen Synagoge in der Rendsburger Innenstadt wurde vom Hamburger Referat für Christlich-Jüdischen Dialog der Nordkirche konzipiert. Auf 17 Informationstafeln wird einerseits das Leben Martin Luthers, andererseits die Geschichte und der Status des Judentums in Deutschland dargestellt. Anhand zahlreicher Zitate aus Luthers Äußerungen wird deutlich, wie sich die Sichtweise des Reformators auf die Juden zwischen den 1520er- und 1540er-Jahren radikal ins Gegenteil verkehrt.

Junge Leute als Zielgruppe

„In seinen jungen Jahren wollte Luther die Juden missionieren und zum christlichen Glauben bekehren“, erläutert Museumsleiter Carsten Fleischhauer. Man solle die Juden unter den Christen wohnen lassen, forderte der Reformator noch  im Jahr 1523. Im Mittelalter, insbesondere zu jener Zeit, als die Pest in Europa umgeht, ist diese Haltung etwas Besonderes, stattdessen ist der Judenhass weitverbreitet. Es gehen antisemitische Legenden um, nach denen Juden beispielsweise die Brunnen der Christen vergiften. Luther stellt sich zunächst gegen die Anfeindungen, indem er Jesus in den Fokus rückt; dieser sei schließlich auch als Jude geboren.
Doch als die jüdischen Menschen seiner Zeit seine Hoffnungen enttäuschen und nicht zum Christentum konvertieren, sondern in der großen Mehrheit ihrem Glauben treu bleiben, ändert sich Luthers Haltung. Verbittert ruft er 20 Jahre später, im Jahr 1543, in seiner Schrift „Wider die Juden und ihre Lügen“ gar zur Gewalt gegen Juden und jüdische Einrichtungen auf. „Was wollen wir Christen nun tun mit diesem verworfenen, verdammten Volk der Juden? (…) Erstlich: dass man ihre Synagogen oder Schulen mit Feuer anstecke“ schreibt Luther. Die Landesherren, teils schon zum protestantischen Glauben übergegangen, sollen die Juden vertreiben. Dennoch: „Luther hat nie direkt dazu aufgerufen, Leute umzubringen“, so der Historiker Fleischhauer.
Manche der Fürsten entsprechen Luthers Forderungen, andere nicht. Fleischhauer sieht in der Judenfeindlichkeit, die in Luthers späteren Reden, Schriften und Handeln zum Ausdruck kommt, eine der Wurzeln des modernen Antisemitismus, der insbesondere innerhalb des Protestantismus und in der Haltung der evangelischen Kirche während des NS-Regimes überdauert habe. Es sei wichtig, dies darzustellen, so Fleischhauer. Damit verbunden sei eines der Ziele der Ausstellung – sie erkläre insbesondere jungen Menschen, woher der Hass auf die Juden rühre.
Am Donnerstag, 13. Juli, spricht Joachim Liß-Walther ab 19 Uhr im Jüdischen Museum über Josel von Rosheim, der als Jude ein Zeitgenosse Luthers war. Die Ausstellung ist bis zum 22. Oktober zu sehen. Das Jüdische Museum, Prinzessinstraße 7, 24768 Rendsburg, ist dienstags bis sonnabends von 12 bis 17 Uhr, sonntags von 10 bis 17 Uhr geöffnet. Der Eintritt kostet für Erwachsene 3 Euro, Familien 7 Euro, ermäßigt 2 Euro. Sonntags ist der Eintritt frei. Weitere Infos gibt es hier.