Kardinal Robert McElroy zieht eine kritische Zwischenbilanz der Debatte zu “Fiducia supplicans”. Er nimmt eine ablehnende Haltung in der US-Kirche gegenüber Homosexuellen wahr – und findet deutliche Worte.
Robert McElroy eckt bei der konservativen Mehrheit seiner Kollegen in der US-Bischofskonferenz immer wieder an. So auch dieses Mal, als der 2022 von Papst Franziskus überraschend in den Kardinalsstand erhobene Mann ein heikles Thema aufgriff. Mit Blick auf die Debatte über das Vatikan-Schreiben “Fiducia supplicans” wirft er der Kirche in den USA “Feindseligkeit” im Umgang mit sexuellen Minderheiten vor.
Das Dokument vom 18. Dezember erlaubt erstmals eine formlose Segnung von Menschen in gleichgeschlechtlichen Beziehungen. Konservative Katholiken in den USA werten dies als Bruch mit der traditionellen kirchlichen Lehre.
McElroy hält Kritik an “Fiducia supplicans” zwar für legitim, sieht aber hinter etlichen Einwänden eine Doppelmoral. So sei es beunruhigend, dass sich die Kritiker fast ausschließlich auf die Segnung Homosexueller konzentrierten. Schließlich gehe es in den neuen Vorgaben auch um unverheiratete und wiederverheiratete Paare. Dass sich darüber niemand aufrege, sei ein Beleg für die “anhaltende Animosität” gegenüber Schwulen und Lesben, meint McElroy.
Die Äußerungen des Kardinals, der als Wortführer des progressiven Flügels innerhalb der US-Bischofskonferenz gilt, fielen während einer kirchlichen Veranstaltung vor einigen Tagen. Der 70-Jährige meldete sich zuvor auch zu anderen kontroversen Themen zu Wort. So gehörte er zu den wenigen Stimmen, die kritisch hinterfragten, warum der Kampf gegen Abtreibung für die meisten seiner Amtskollegen oberste Priorität sei. Rassismus, Armut, Einwanderung und Klimawandel müssten aus seiner Sicht mindestens gleichrangig in den Fokus gestellt werden.
Seit langem macht sich McElroy überdies für einen offenen Umgang mit Homosexuellen stark. Auf internationaler Ebene betrachtet er die Kontroverse um “Fiducia supplicans” indes differenziert. So zeigt der Kardinal Verständnis für die Ablehnung des Vatikan-Dokuments durch viele afrikanische Bischöfe. Sie halten gleichgeschlechtliche Beziehungen für inkompatibel mit den kulturellen Werten ihres Kontinents. Vor diesem Hintergrund deutete McElroy an, dass unterschiedliche Auffassungen auch ein positives Zeichen sein könnten. Denn dies spiegele wider, dass sich die Kirche an die jeweilige Kultur anpasse – eine Art gelebte “Dezentralisierung”.
Wie tief die Gräben in Sachen Homosexualität und Transgender in Kirche und Gesellschaft der USA sind, zeigt derweil der Eklat bei einer Trauerfeier kürzlich in New York: In der Kathedrale waren mehr als 1.000 Menschen zusammengekommen, um sich von der verstorbenen Trans-Aktivistin Cecilia Gentili zu verabschieden. Die freizügig gekleideten Gäste feierten die Atheistin und Ex-Prostituierte dabei lautstark als “Mutter aller Huren”.
Pfarrer Enrique Salvo reagierte schockiert und verkürzte die aus dem Ruder gelaufene Veranstaltung. Den Angehörigen der Toten wirft er vor, sich über den katholischen Glauben lustig gemacht zu haben. Der New Yorker Kardinal Timothy Dolan sah sich gar gezwungen, eine Wiedergutmachungsmesse anzubieten, um den frevelhaften Vorfall zu sühnen.
Robert McElroy kommentierte dies nicht – und setzte damit dennoch ein Zeichen. Der Bischof des kalifornischen Bistums San Diego will, dass sich die Kirche mehr für sexuelle Minderheiten öffnet. Das Verständnis von Moral und der Natur des Menschen, auf deren Grundlage früher Lehrerklärungen abgegeben worden seien, hält er in Teilen schlicht für “fehlerhaft”. Queere Menschen und ihre Familien seien verzweifelt darüber, dass sie “von der Kirche und einzelnen Katholiken in übler Weise verurteilt werden”. Dagegen will der liberal gesinnte Kardinal etwas tun – zur Not auch gegen Widerstände aus den eigenen Reihen.