Die Klimabewegung „Letzte Generation“ will für ihre in Berlin geplanten umstrittenen Aktionen in diesem Herbst offenbar bei evangelischen Kirchengemeinden wohnen. Sie hat eine große Zahl Berliner Kirchengemeinden um kostenlose Quartiere für insgesamt 200 Personen ab dem 11. September bis in den Dezember hinein angefragt. Die Anfragen gingen vor allem an Kirchengemeinden in der Innenstadt. Das katholische Erzbistum Berlin teilte hingegen auf Anfrage des Nachrichtenportals katholisch.de mit, es hätte keine solchen Anfragen nach Unterkünften bekommen.
Die sogenannte „Letzte Generation“ hatte angekündigt, von Mitte September an wieder großflächig in Berlin Straßenblockaden und andere Störaktionen zu starten, um auf die Klimakrise hinzuweisen. Die Aktionen der Klimaaktivisten sind auch in den Kirchen stark umstritten, doch es gibt auch viel Unterstützung.
Entscheidungen werden vom Gemeindekirchenrat getroffen
„Wir sehen unsere Aufgabe als Evangelische Kirche darin, Raum für kontroverse Gespräche, Diskurs und Meinungsbildungsprozesse zu geben. Dazu gehört es, widersprüchliche Meinungen zuzulassen“, sagt Charlotte von Kielmansegg, Pressereferentin der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz (EKBO).
Entscheiden würden jedoch die einzelnen Gemeinden autonom. Die Gemeinde Prenzlauer Berg Nord wird für die Zeit der Berliner Herbstferien Gemeinderäume zur Verfügung stellen, sagt Pfarrerin Aljona Hofmann. „Wir wollen etwas für das Klima tun und unterstützen darum diese Bewegung.“ Keine Möglichkeit sieht hingegen die Gemeinde Charlottenburg-Nord. „Wir haben auch eine Anfrage bekommen, aber bei uns laufen gerade Bauarbeiten“, sagt Pfarrerin Eva Markschies. Die Gemeinden in Zehlendorf und in Biesdorf haben jedoch nach eigenen Angaben keine Anfrage erhalten.
Kirchengemeinde am Weinberg entscheidet am 19. September
Noch offen ist die Entscheidung in der Kirchengemeinde „Am Weinberg“ im Bezirk Mitte. Prinzipiell stehe dazu eine leerstehende Gemeindewohnung zur Verfügung, die allerdings für Kirchenasyl vorgesehen ist, heißt es auf der Webseite der Gemeinde. Man könne der Gruppe diese Wohnung unter der Option anbieten, dass sie sie innerhalb von 48 Stunden räumt, sobald sie „ihrem eigentlichen Zweck entsprechend für Geflüchtete“ gebraucht werde.
Da die „Letzte Generation“ mit ihren Aktionen umstritten ist, befinde sich der Gemeindekirchenrat (GKR) noch im Prozess der Meinungsbildung und wolle dazu auch ein Meinungsbild der Gemeindeglieder einholen. Dazu nutzt der GKR die Webseite. Das hat die Berliner Boulevard-Zeitung B.Z. aufgegriffen. Sie titelte: „Kirche will Klima-Kleber in Flüchtlingswohnung unterbringen.“
Die Gemeinde stellte auf ihrer Webseite klar, dass vor der Sitzung des Gemeindekirchenrates am 19. September keine Entscheidung getroffen werde. Zudem lege man, falls Wohnmöglichkeiten bereitgestellt werden, Wert darauf, dass es die von der „Letzten Generation“ in Aussicht gestellten Möglichkeiten der Begegnung und des Gesprächs mit der Gemeinde gebe.
Kirche als Besprechungs- und Veranstaltungsraum für Aktivisten
Doch es gibt auch weitere Hilfsangebote über Übernachtungsplätze hinaus. Stephan Rauhut vom Reformations-Campus Moabit sagt, sein Campus verfüge zwar nicht über Übernachtungsplätze. Allerdings haben sie der „Letzten Generation“ an drei Tagen im September ihre Kirche als Besprechungs- und Veranstaltungsraum angeboten. „Das Thema wurde auch bei uns kontrovers diskutiert“, sagt Rauhut. „Meine persönliche Meinung ist: Die ‚Letzte Generation‘ legt den Finger in die Wunde hinsichtlich sozialer und ökologischer Gerechtigkeit.“
Stephan Jung, Pressereferent der sozial diakonischen SozDia Stiftung in Lichtenberg, äußert sich ähnlich: „Wir haben keine Übernachtungsplätze, die wir anbieten können. Aber wir stehen seit längerem mit Carla Hinrichs von der ‚Letzten Generation‘ im Kontakt. Sie trat bei unserem Frühlingsempfang auf.“ SozDia stehe, so Jung, für die Bewahrung der Schöpfung und für friedlichen zivilen Ungehorsam.
Globaler Klimastreik am 15. September
Am Freitag, 15. September, ruft die Klimaschutz-Bewegung Fridays for Future wieder zum globalen Klimastreik auf. Vor dem Beginn der Demonstration in Berlin lädt Christians4Future Berlin-Brandenburg zu einer Klimaandacht ein: von 10 bis 10.30 Uhr an der Herbert-von-Karajan-Straße/Haupteingang der Philharmonie in Berlin-Tiergarten. Alle sind eingeladen, Impulse, Gedanken, Fürbitten, eigens formulierte Psalmen oder Gebete unter dem Motto Trauer & Trost im Hinblick auf Verlust von Natur einzubringen.
Marina Mai ist freie Autorin