Bangen, aushalten, durchhalten – Schlag auf Schlag beutelte das Schicksal Carolin Oder: Der Vater stirbt an Krebs, sie selbst erhält die Diagnose Hirntumor, einer ihrer Söhne lebt mit einer lebensbedrohlichen Erkrankung. Wie die gebürtige Schwarzwälderin (Villingen-Schwenningen, Baden-Württemberg) aus der Dauerkrise innere Stärke gewinnt, schildert sie in ihrem Buch „Plötzlich Krise – was jetzt?“, das am 31. August im Novum-Verlag (Neckenmarkt, Österreich) erscheint.
„Ich kenne kaum Eltern, die so viel ertragen mussten, wie sie. Das Buch trägt die Autorität gelebter Erfahrung“, schreibt der Herzchirurg René Prêtre (Boncourt, Schweiz) im Vorwort des Buches. Er begleitete 2019 die riskante Operation an der eingerissenen Aorta, die der damals neunjährige Sohn Oders wie durch ein Wunder überlebte. Der Junge leidet an dem seltenen „Loeys-Dietz-Syndrom“, einer genetisch bedingten Bindegewebserkrankung, die das Einreißen von Blutgefäßen im gesamten Körper als Risiko birgt.
18 Operationen in 14 Jahren musste sich der Sohn unterziehen – Hals- und Rückenwirbel waren ebenso betroffen wie eine Herzklappe und die Aorta. Noch immer habe der mittlerweile zum Teenager Herangewachsene viele offene „Baustellen“, sagte Carolin Oder dem Evangelischen Pressedienst (epd): „Wir schieben noch Operationen an der Wirbelsäule vor uns her. Wir beobachten mit den Gefäßchirurgen noch andere Ausbuchtungen an Blutgefäßen, also an Aneurysmen.“
In all den Jahren „mit dem Damoklesschwert über dem Kopf“ lernte die zweifache Mutter, mit Unsicherheiten zu leben, ohne sich die Lebensfreude nehmen zu lassen. Rückblickend erkennt sie ein Muster, nach dem sie und ihr Ehemann in jeder Krisensituation vorgingen. Daraus entwickelte Oder ein Modell, auf das der Untertitel des Buches „Sieben Wege zur inneren Stärke nach dem GENAUSO-Prinzip“ hinweist.
„Wir haben das eigentlich immer gleich gemacht. Ob das beim Tod meines Papas war, bei meiner Hirntumordiagnose und dann die letzten 16 Jahre für unseren Sohn. Bei jeder Herausforderung gehen wir es gleich an! Geht nicht, gibt es nicht“, ist die Autorin überzeugt. Jeder Buchstabe von „GENAUSO“ steht für eine bestimmte Haltung: Zu „Geht nicht, gibt‘s nicht“ (G) kommt „Emotionen zeigen“ (E), „Netzwerk aufbauen“ (N), „Akzeptanz einüben“ (A) „Ungewissheit eingehen“, „Selbstliebe praktizieren“ (S), „Optimismus leben“ (O).
Das Leben meint es gut, lautet Oders tiefste Überzeugung und spricht von „Fügung“. „Es sollte so sein. Unser Leben hat uns immer genau dahin geschickt, wo es sich zum Guten gewendet hat. So sehe ich das“, sagt sie. Gerade weil die Autorin all‘ die schweren Zeiten durchlitten hat, hebt sich das Buch von anderen Resilienz-Ratgebern ab.
Wenn Oder empfiehlt, am tiefsten Punkt den bestmöglichen Fall anzunehmen, redet sie keineswegs schlicht positivem Denken das Wort. Sie hilft vielmehr, den „Weg durch den Tunnel“ zu gehen. „Ich rede nicht vom Psychischen. Ich rede davon, dass du auf eine Information wartest oder eine Zeit überbrücken musst, wo du denkst, du drehst durch“, beschreibt sie die Situation.
„Was am Ende vom Tunnel auf dich wartet, ist eine neue Aufgabe“, weiß die Autodidaktin in Sachen innerer Stärke. Dass ihr die einzelnen Schritte nicht leichtfielen, räumt Oder freimütig ein. An den Punkten Akzeptanz und Selbstliebe arbeite sie bis heute.
Wie andere Eltern auch habe auch sie aus Sorge um das Kind „alles 150-prozentig“ gegeben, die vielen Traumata nicht bearbeitet. „Für mich war klar, wir lieben unser Kind so, wie es ist. Und es ist ein Geschenk, so wie es ist“, sucht sie nach einer Erklärung, warum sie ihr Schicksal nie betrauert hat. „Nach 14 Jahren habe ich mir das erste Mal professionelle Hilfe geholt“, berichtet die Mutter.
Oder entdeckt, dass ihre Erfahrungen sie stark gemacht haben, und erkennt ihre Berufung: Anderen beizubringen, wie man an Krisen wachsen kann. Sie wird Rednerin und Autorin. In „Plötzlich Krise – was jetzt?“ geht es um die Schilderung ihres Lebens und die Erläuterung des „GENAUSO“-Prinzips. Weitere Bücher hat die Autorin bereits im Hinterkopf: Wie Geschwisterkinder unter dem Schattendasein leiden, wenn Bruder oder Schwester schwer krank sind, und wie die Partnerschaft trotz Dauerkrisenmodus nicht zerbricht.
So viel steht fest: Carolin Oder kann Krise. „Plötzlich Krise – was jetzt?“ ist ein Buch, das Mut macht. Egal, wie schwer sich das Leben präsentiert, es geht weiter. (2151/31.08.2025)