Artikel teilen

Lateinamerika: Hoffen auf Pragmatismus unter Trump

Donald Trump hat unter den Staatschefs in Lateinamerika nicht viele Anhänger. Entsprechend verhalten waren die Reaktionen auf seinen Wahlsieg in den USA. Zu den treuesten Fans gehört Argentiniens ultraliberaler Präsident Javier Milei: „Du kannst Dich auf Argentinien bei der Erfüllung Deiner Mission verlassen“, versprach er auf der Internetplattform X. Auch Brasiliens ultrarechter Ex-Präsident Jair Bolsonaro jubelte und dankte noch während der Auszählung Gott für den Sieg.

Linksgerichtete Staatschefs wie Luiz Inácio Lula da Silva aus Brasilien, Gabriel Boric aus Chile und Claudia Sheinbaum aus Mexiko schickten Glückwünsche und hoffen auf eine pragmatische Zusammenarbeit mit der neuen Führung in Washington. Keine andere Region der Welt ist wirtschaftlich so eng mit den USA verbunden wie Lateinamerika.

Wenn Trump auf Lateinamerika schaut, sieht er vor allem ein Problem: die irreguläre Migration über Mexiko. Allein im vergangenen Jahr schafften 3,2 Millionen Menschen den Weg über die Südgrenze in die USA – ein neuer Rekord. Inzwischen befürworten laut einer CNN-Umfrage rund 88 Prozent der US-Amerikaner mehr Restriktionen in der Migrationspolitik. Rund 52 Prozent der Befragten sprachen sich für den Bau einer Mauer an der rund 3.000 Kilometer langen Südgrenze aus.

Wie auch schon 2016 zog Trump bei seinen Wahlkampfauftritten über Migranten her, die er mit Tieren verglich, er sprach von einem „besetzten Land“, das er „befreien“ wolle. Trump kündigte Massenausweisungen von Migranten ohne Aufenthaltstitel an, sagte aber nicht, wie er das praktisch umsetzen will. Asylbewerber sollten in Mexiko oder anderen Drittländern auf ihr Verfahren warten. Obwohl viele der Ankündigungen schwer umsetzbar sein werden, schürt laut Analysten allein solche Rhetorik ein Klima der Angst. In den USA leben rund elf Millionen Menschen ohne Papiere, die meisten von ihnen sind Latinos.

Ein weiterer Knackpunkt wird der Umgang mit Venezuela sein. Während seiner ersten Amtszeit (2017 bis 2021) hat Trump mit einer militärischen Intervention gedroht und die Sanktionen gegen das sozialistische Regime verschärft. Die USA erkannten als eines der ersten Länder den Oppositionsführer Juan Guaidó als Übergangspräsidenten an. Doch der erhoffte Machtwechsel in dem südamerikanischen Land blieb aus. Staatschef Nicolás Maduro sitzt heute sicherer im Sattel als noch vor acht Jahren. Am 10. Januar will er sich nach offensichtlich gefälschten Wahlen erneut als Präsident vereidigen lassen.

Rund acht Millionen Venezolaner sind bereits wegen der Repressalien und der ökonomischen Krise geflohen, etwa zwei Millionen weitere sitzen laut dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR schon auf gepackten Koffern. Die meisten venezolanischen Staatsangehörigen nahm das Nachbarland Kolumbien auf. Jedoch machten sich auch Hunderttausende Menschen auf den Weg Richtung USA und durchquerten dazu den gefährlichen Darién-Dschungel, die einzige Landverbindung zwischen Süd- und Mittelamerika.

Erstaunlich ruhig verhielt sich Kolumbiens linker Staatschef Gustavo Petro nach dem Wahlsieg von Trump, der ihn mehrfach einen Terroristen genannt hatte. Nach wie vor werden die USA von Kokain aus Kolumbien überschwemmt. Petro, der seit Juni 2022 im Amt ist, versuchte eine weniger aggressive Ausrottungspolitik des Koka-Anbaus, die aber wenig erfolgreich ist. Konflikte sind somit vorprogrammiert: Denn Trump besteht auf einer Null-Toleranz-Politik. Hinzukommt, dass die USA größter Geber von Auslandshilfe bei der Bekämpfung des Drogenanbaus in Kolumbien sind.

Bei der Entwicklung der Handelsbeziehungen mit den USA ist die Skepsis in Lateinamerika groß. Die angekündigte Abschottung der US-Wirtschaft würde Länder wie Brasilien, Chile und Peru hart treffen, die Rohstoffe und Agrarprodukte exportieren. Für Lateinamerika sind die USA Handelspartner Nummer eins, allerdings boomt der Handel mit China. Für große Volkswirtschaften wie Brasilien ist China bereits zum größten Außenhandelspartner aufgestiegen. Auch außenpolitisch würden solche Länder gedrängt, sich weniger dem Westen, sondern China zuzuwenden, sagte der brasilianische Politikwissenschaftler Hussein Kalout. Das habe schwerwiegende Folgen für den ganzen Kontinent.