Heute ist es guter Brauch, dass im evangelischen Gottesdienst Gläubige das Abendmahl in Form von Brot und Wein bekommen. Dies gab es in Württemberg erstmals vor 500 Jahren – und noch etwas früher in Wittenberg.
Vor genau 500 Jahren – am 14. August 1524 – ist in Reutlingen Kirchengeschichte geschrieben worden. An diesem Tag gab es “Abendmahl mit Brot und Wein für alle”, wie die württembergische Landeskirche am Dienstag mitteilte. Zu dem heute in der evangelischen Kirche gebräuchlichen Abendmahl “in beiderlei Gestalt” hatte der Württemberger Reformator Matthäus Alber eingeladen. Dies sei damals eine Sensation gewesen, so die Landeskirche.
“Wir können uns heute kaum mehr vorstellen, welche unerhörte Umwälzung es bedeutete, als am 14. August 1524 Matthäus Alber in Reutlingen nicht nur die Messe auf Deutsch feierte, sondern den Gläubigen sogar das Abendmahl in Form von Brot und Wein anbot”, erklärte Landesbischof Ernst-Wilhelm Gohl. Es sei “viel Glaubensmut” notwendig gewesen, “so gefährlich nah an der Ketzerei zu agieren”, so Gohl. “Mit einem Mal war die volle Teilhabe für alle zugänglich. Bis heute wirkt dies fort.”
Damit sei ein sichtbares Symbol der Trennung der Gesellschaft in Geweihte und Nicht-Geweihte überwunden worden. Denn bis dahin sei es nur den Klerikern gestattet gewesen, während des Abendmahls aus dem Kelch zu trinken.
Allerdings waren die Württemberger nicht die Ersten, die das Abendmahl mit Brot und Wein gefeiert haben – als Zeichen für Christi Leib und Blut. Susanne Schenk, Theologische Referentin des Landesbischofs, sagte auf Anfrage der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) in Stuttgart, der Theologe Andreas Bodenstein von Karlstadt habe bereits am Weihnachtstag 1521 in Wittenberg das Abendmahl in beiderlei Gestalt gefeiert.
Der Reformator Martin Luther hielt sich zu dieser Zeit auf der oberhalb von Eisenach gelegenen Wartburg auf. Luther hatte 1522 eine Schrift mit dem Titel “Von beider Gestalt des Sakraments zu nehmen” veröffentlicht und darin die theologischen Voraussetzungen für das revolutionäre liturgische Handeln umrissen.
Nach Reutlingen seien die Menschen von weit her geströmt, “um die Sensation der deutschsprachigen Messe und des Abendmahlskelchs für die Laien zu erleben”, erläuterte Schenk. Sie hätten damals einen Abendmahlsgottesdienst erlebt, “der anders aussieht, klingt und schmeckt als die bisherigen”.