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Kulturwissenschaftler: Attentat wird Trump politisch kaum nutzen

Die Faust in die Höhe gestreckt, der Aufruf zum Kampf: Die Bilder nach dem Attentat auf Donald Trump werden von Beobachtern als wahlentscheidend gesehen. Stimmt aber nicht, meint Kulturwissenschaftler Manfred Schneider.

Die Auswirkungen des Attentats auf den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump werden aus Sicht des Kulturwissenschaftlers Manfred Schneider überschätzt. “Ich glaube, das Attentat wird für den Ausgang der Wahl keine Rolle spielen”, sagte der Forscher, der früher in Bochum gelehrt hat, im Interview des “Spiegels” (Samstag).

Die Bilder nach dem Attentat, die den frisch gekürten republikanischen Präsidentschaftskandidaten mit blutendem Ohr und kämpferisch erhobener Faust zeigen, ergäben zwar “ein Album eindrucksvoller Bilder”, für die weitere politische Auseinandersetzung seien sie aber bedeutungslos, erklärte Schneider. Der Kulturwissenschaftler hat sich in seinem 2010 erschienenen Buch “Das Attentat. Kritik der paranoischen Vernunft” mit der Kulturgeschichte politischer Anschläge befasst.

Auch auf die Märtyrer-Rolle wird Trump laut Schneider künftig kaum setzen können. “Dafür ist, um es bildlich auszudrücken, zu wenig Blut geflossen.” Zudem habe er das Attentat überlebt, was ihn von anderen Blutzeugen unterscheide. “Für ihre Karriere als Märtyrer oder ikonische Figuren in der Politik ist es besser, getötet zu werden.”

Dass es überhaupt zu dem Attentat kommen konnte, führt Schneider auf einen “paranoiden Politikstil” in den USA zurück. Trump nutze diesen insbesondere dann, wenn er sich als Verfolgter stilisiere. “Alle seine juristischen Auseinandersetzungen hat er als Teil einer laufenden Verschwörung gegen ihn gedeutet und damit seine Anhängerschaft motiviert.”

Das sei auch dem Ex-Präsident selbst bewusst, der deshalb nun auf dem Parteitag der Republikaner einen versöhnlicheren Ton anschlage, der “dem betont empathischen Diskurs von Biden ein wenig den Saft raubt und seine eigene Anhängerschaft im besten Falle noch erweitern kann”, so Schneider. “Gleichzeitig habe ich erhebliche Zweifel, ob ihm das über den Tag hinaus gelingen wird. Die Polarisierung ist einfach das Gesetz dieser Wahl.”