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Kritik an Vorstoß der FDP in NRW für schärferes Streikrecht

Nach dem langen Tarifstreit zwischen der Lokführergewerkschaft GDL und der Deutschen Bahn hat die Diskussion um ein schärferes Streikrecht für die sogenannte kritische Infrastruktur an Fahrt aufgenommen. Die FDP-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag setzt sich in einem Antrag für ein Arbeitskampfgesetz ein. Es sieht unter anderem eine Ankündigungsfrist von Streiks mindestens 48 Stunden vor Beginn sowie die Sicherung einer Grundversorgung vor. Sachverständige von Gewerkschaften und Justiz sahen diese Forderung am Mittwoch in einer Anhörung des Wirtschaftsausschusses des Düsseldorfer Landtags kritisch.

Die FDP sieht vor allem bei Streiks in der kritischen Infrastruktur wie Transport- und Verkehr, Telekommunikation, Energieversorgung, Abfallentsorgung und Gesundheitswesen die Bürger besonders betroffen. Zwar solle es möglich sein, auch in den genannten Branchen „wirkungsmächtig“ zu streiken. Dieses Grundrecht müsse aber durch gesetzliche Vorgaben so gestaltet werden, dass die Öffentlichkeit möglichst wenig beeinträchtigt werde und die Infrastruktur verlässlich bleibe. Mit dem Antrag fordert die FDP die schwarz-grüne Landesregierung auf, sich mit einer Bundesratsinitiative für neue gesetzliche Vorgaben für Arbeitskämpfe einzusetzen.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) in NRW lehnt den Antrag ab, bestehende Regelungen seien ausreichend. Eine pauschale Ankündigungsfrist sei verfassungsrechtlich bedenklich und würde auf eine Schwächung der Gewerkschaften im Tarifkonflikt hinauslaufen, heißt es in einer Stellungnahme. Weitere Regelungen wie eine Friedenspflicht oder eine Schlichtung könnten die Tarifparteien selbstständig auch ohne Eingriffe des Gesetzgebers vereinbaren. Einschränkungen des Streikrechts müssten auf ein Minimum beschränkt bleiben, damit dieses nicht zum „stumpfen Schwert“ werde.

Auch die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di warnt vor weiteren Einschränkungen des Streikrechts, die ein „verfassungswidriger Angriff“ auf die Rechte der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer seien. Darüber hinaus werde in Deutschland im internationale Vergleich vergleichsweise wenig gestreikt. Statistisch liege das Land liege mit 18 streikbedingt ausgefallenen Arbeitstagen je 1.000 Beschäftigte im europäischen Vergleich im unteren Mittelfeld. Spitzenreiter sind demnach Belgien mit 96 und Frankreich mit 92 Tagen.

Kritisch zeigte sich auch der Präsident des Landesarbeitsgerichts Hamm, Holger Schrade. Er merkte an, dass das Arbeitskampfrecht in Deutschland zwar verfassungsrechtlich gewährleistet, aber nicht gesetzlich geregelt sei. Es handele sich fast ausschließlich um Richterrecht. Das bedeutet, dass die Gerichte bestehende Gesetzeslücken mit der Auslegung und Anwendung von Rechtsvorschriften faktisch schließen. Vor diesem Hintergrund sei es grundsätzlich wünschenswert, wenn das Arbeitskampfrecht aufgeschrieben würde, so Schrade. Der Vorstoß der FDP hätte jedoch nur zur Folge, dass in einem „ohnehin ungeregelten Bereich lediglich einzelne Fragen gesetzlich geklärt“ würden, ohne Grundsätze vorzugeben. Es blieben so weitere offene Fragen.