Das Sicherheitsempfinden der Menschen in Deutschland ist nach Einschätzung des Kriminologen Thomas Bliesener deutlich durch die Medienberichterstattung beeinflusst. „Das subjektive Bedrohungserleben ist von der objektiven Datenlage nahezu abgekoppelt“, sagte der Direktor des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Diese Feststellung machten Forscher bereits seit vielen Jahren immer wieder.
Meldungen in den Medien und sozialen Netzwerken über Verbrechen im öffentlichen Raum hätten in den vergangenen Jahrzehnten drastisch zugenommen. Aufgrund wiederholter und ausführlicher Berichterstattung über einzelne Fälle hätten die Menschen den Eindruck, die Zahl der Überfälle auf Plätzen, in Straßen und in Bahnhöfen steige. Dabei sei das Gegenteil der Fall, sagte Bliesener.
Überregionale Berichterstattung schürt Angstgefühle
Seit den 1990er Jahren seien etwa Taschen-, Auto- und Fahrraddiebstähle sowie Vandalismus deutlich seltener geworden. Erst im vergangenen Jahr wurde laut Bliesener wieder ein leichter Anstieg bei diesen Delikten registriert.
Die Berichterstattung über einzelne Fälle trage diese mitunter weit über die Region hinaus, in der sie passierten, erläuterte der Kriminologe: „Wenn vor 20 Jahren im Bayerischen Wald etwas passierte, hat davon außerhalb Bayerns niemand etwas erfahren. Wenn heute in Hannover jemand mit dem Messer verletzt und wenige Tage später in Bayern eine ähnliche Straftat begangen wird, erfahren wir das auch hier.“
Zudem werde über eine Straftat, die Ermittlungen und spätere Gerichtsverhandlungen oftmals wiederholt berichtet. Leser und Hörerinnen könnten kaum noch nachvollziehen, dass es sich dabei immer um dieselbe Tat handele, sagte Bliesener.
Mehr sachliche und weniger sensationslüsterne Nachrichten
Der Instituts-Direktor wünscht sich eine „sachlichere und weniger sensationslüsterne“ Berichterstattung, die transparent macht, dass Fälle länger zurückliegen. Er sehe keinen Grund, Straßen, öffentliche Plätze oder gar Bahnhöfe zu meiden. „Wenngleich es natürlich gefährlichere und weniger gefährliche Orte gibt und die Gefahrenlage etwa auch von der Tageszeit oder sogar vom Wetter abhängig sein kann“, sagte Bliesener.