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Kremlkritiker Schischkin hält Schillerrede 2024 – statt Schäuble

Eigentlich war Wolfgang Schäuble für die Schillerrede 2024 eingeplant. Nun hält sie der Autor und Kremlkritiker Michail Schischkin. Das Literaturarchiv kündigte auch einen Sonderetat und einen Neubau in Millionenhöhe an.

Der russische Schriftsteller Michail Schischkin hält am 10. November 2024 die diesjährige Schillerrede. Das gab die Direktorin des Deutschen Literaturarchivs (DLA) Marbach, Sandra Richter, am Donnerstag bei einer Pressekonferenz bekannt. Mit der Schillerrede wird jährlich an den am 10. November 1759 in Marbach geborenen Dichter Friedrich Schiller erinnert.

In Russland geboren und aufgewachsen sei der seit 1995 in der Schweiz lebende Schischkin nicht nur der einzige Autor, der die drei wichtigsten Literaturpreise Russlands erhalten habe. Er sei auch international vielfach ausgezeichnet worden. “Seit dem Zerfall der Sowjetunion tritt Schischkin immer wieder als scharfer Kritiker der russischen Regierung und Politik an die Öffentlichkeit”, hieß es. Nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 habe Schischkin in einem Interview mit Blick auf Russlands Präsident Wladimir Putin eine “totale Entputinisierung Russlands” gefordert.

DLA-Direktorin Richter sagte weiter: “Leider ist der Schillerredner, der eigentlich für das Jahr 2024 vorgesehen war, vor wenigen Wochen verstorben: Wolfgang Schäuble.” Mit Schischkin habe man nun glücklicherweise den für 2025 angedachten Schillerredner “vorverlegen” können.

Schischkin (63), der auch bei der Frankfurter Buchmesse 2023 auftrat, wurde 1961 in Moskau geboren und arbeitete als Lehrer, Journalist und Übersetzer. Seine Bücher wurden in 35 Sprachen übersetzt. Er schrieb die Romane “Die Eroberung von Ismail”, “Venushaar” und “Briefsteller”, zudem Sachbücher und zahlreiche in internationalen Zeitungen erschienene Essays. 2023 hatte der aus Tansania stammende Literaturnobelpreisträger Abdulrazak Gurnah die Schillerrede gehalten, 2022 der deutsch-österreichische Autor Daniel Kehlmann.

Richter betonte, dass das Literaturarchiv zu 50 Prozent aus dem Bundeshaushalt finanziert werde. Der Haushaltsausschuss des Bundestages habe nun bei den Beratungen für den Bundeshaushalt 2024 zusätzliche Projekte für das Deutsche Literaturarchiv vorgesehen – einen Sonderetat, so Richter. Es gehe darum, wichtige Bestände im Zeitalter des Internets und der Sozialen Medien zu sichern. “Demnach ist eine Förderung des Programms ‘Das freie Wort sichern’ mit bis zu 1,5 Millionen Euro beabsichtigt”, teilte das DLA mit. Hinzu kämen bis zu 410.000 Euro für ein Projekt zu Science-Fiction-Literatur.

Mit den vorgesehenen Projektmitteln für das Programm ‘Das freie Wort sichern’ setze man Schwerpunkte bei den Themen Exil und Migration, “Wandel der Öffentlichkeit” und Geschlechtergerechtigkeit, sagte Richter. “Anhand unserer Archivbestände aus Literatur, Philosophie und Geistesgeschichte fragen wir nach der ethischen und politischen Substanz unserer freiheitlichen Kultur, deren Gefährdung und Zerbrechlichkeit.”

Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) erklärte, diese Förderung ermögliche es dem Literaturarchiv, “seine bedeutende Sammlung von Exilschriften zu erweitern”. Damit bewahre es “einen herausragenden Teil unseres schriftlichen Kulturerbes”. Die Werke deutscher Exilliteratur, die Nachlässe der unter den Nationalsozialisten Verbannten und Verfemten seien “Teil unseres literarischen Gedächtnisses”.

Mit Blick auf millionenschwere Bauplanungen des DLA sagte Richter: “Wir vernehmen seitens des Landes positive Signale, aber wir müssen natürlich abwarten, bis es der Landtag beschlossen hat.”

Laut “Südwest Presse” stimmte das baden-württembergische Landeskabinett am Dienstag einer Vorlage von Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) zu, wonach das Land bis zu 73 Millionen Euro in das DLA investieren soll. Der Bund habe zuvor ebenfalls 73 Millionen in Aussicht gestellt. Die Planung umfasse neben Sanierungsmaßnahmen an bestehenden Gebäuden des DLA insbesondere den Neubau “Neues Tor zur Literatur”. Der Bau solle Magazine und Büros beherbergen, ebenso einen Konferenzbereich. Bis 2033 sollten die Arbeiten abgeschlossen sein, für die 131 Millionen Euro vorgesehen seien. Allerdings rechne das Land durch Baukostensteigerungen bereits mit bis zu 153 Millionen Euro Gesamtkosten, so der Medienbericht.

Richter sagte auf Nachfrage: “Die Finanzierungshöhen sind damit genannt.” Voraussichtlich im April werde der Architektenwettbewerb beginnen. “Wenn es sich abzeichnen sollte, dass die Kostensteigerung sehr hoch wird, dann müssten wir kleiner bauen”, so die DLA-Direktorin.